Das Vier und zwantzigst Capitel.
Von des Gargantua studieren, nach seiner Sophistischen Lehrmeyster anfüren, und wie ihn sein Neuer Preceptor Kundlob darvon thet abführen und baß anführen.

[231] Als nungedachter gestalt die erste tag mit kundschafftmachen zupracht, unnd die Glocken an ihr ohrt wider geliffert worden, erboten sich die von Pariß, unserm Gurgelstrozza zur danckbarkeit für die beweisene Ehr, sein Leibvieh, als lang er wolt, zuerzihen unnd zufütern. Welchs er zu danck annam: Darauf schickten sie Futer und Proviand genug in den Forst von Biere: Ich glaub er sei jetzund nicht mehr vorhanden.

Nach disem nam ihm Strossengurgel gäntzlich inn sinn, nach deß Rhumprechts Kundkolb urtheil unnd discretion sein studieren anzuschicken. Aber Rhumlob sein Lehrweiser verordenet, daß er sich noch zur zeit seiner alten weiß unnd gewonheit geprauchen solt, zuersehen unnd zuspüren, durch was gelegenheit in so langer zeit seine alte Zuchtmeister ihn also zu eim ungeschickten Fratzen gemacht hetten.

Derhalben erzeigt Gurgelstroß deß Kölers Glauben, nemlich daß er wer wie seine gewesene Zuchtpfleger, welche wie er, das Pfleg Kind, warn. Dispensirt, diätirt, unnd theilet seine zeit solcher gestalt auß, daß er ordenlich zwischen achten unnd Neunen kein rhu im Bett hett, es war Tag oder Nacht: Dann also hetten ihne seine alte Zuchtregenten underwiesen, unnd dazu den spruch angezogen, da David spricht, vanum est vobis ante lucem surgere. Darnach wann er erwacht, gumpet, plitzet, strabelt, geilet, rammelt unnd hammelt er ein weil im Bett herumb, die leblichkeit der sinn unnd mütigkeit deß Geystes unnd fleisches etwas auff zumuntern unnd zuerfrischen: Dann er ließ die Hund sorgen, die bedörffen vier Schuh.

Darnach thet er sich nach gelegenheit an, nach des Grobians zwölff Römischen Tafeln: dann die Morenkübelitet Erasmi war noch nicht auffkommen. Aber gern trug er einen grossen langen Rock von grosser auffgeribener oder aufgetribener kraußrauher Woll, mit Füchssen gefütert durchauß,[232] nicht daß die Schaf die Füchß an das ort auß gebissen hetten, wie etliche heuchlerische beltz. Folgends strält er sich mit eim Bömischen sträl, der war vier finger und der daumen, welchen er warlich nicht umb dein halb Reich geben hett. viel weniger umb einen pleienen sträll, damit man die grauwen Haar dunckel macht. Dann seine Preceptores lehrten ihn, daß wann man sich anders strälet, wäschet unnd wischet, wer es so viel, als die zeit unütz verlieren unnd mißprauchen.

Nachgehends schiß er, pißt er, fartzt er, seicht er, erprach sich, rib sich: streifft sich: juckt sich: dänet sich: stach ein stund säuren auff: niset: kodert: göwet: ginet nach dem Leinlachen: steuret unnd rib die Zän: Hustet: Schweiset: Plutet: Bekotzet unnd schneitzet sich wie der best Ertz-Priester: der jetz die Kantzel antretten soll. Wann er sich nun also überworffen und purkratzet het, nach der Regel (Schüt nicht ein neuwe schnabelweid, du hast dann vor die alt verdäut, welche wird vernummen, an dünnem speichel, unnd magenprummen) so nam er als dan die Morgensup ein, dadurch den Nebel unnd den Dau zulegen, unnd sonst von des bösen Luffts wegen, als schöne Fenchelwürstlin, geröstete züngleinstucklin, beim Berte Pfaffenbißlin, gröstets Katzengeschrei, Euterprätlin, schöne Wampen unnd Schuncken, oder feißte Hennensüpplin, Kindbetterprühlin, Weinwarm, Matzisprülin, von der ersten sut.

Ponocrates zeigt ihm etwan an, daß er nicht so bald vom Bett sich bekröpffen solt, eh er zuvor eine übung vorgehabt het. Da antwort Gargantubal Was? hab ich mich nicht genug geübt: Ich hab mich wol siben tag im Bett herumb gekälbert eh ich auffstund: Ist das nicht genug? Bapst Alexander that ihm doch also auß rhat seines Jüchschen Artzet, unnd lebt seinen Neidigen zu leid, biß er starb. Auch haben mich meine ersten Lehrmeister darzu gewänet, und gesagt, das früstücken unnd die Morgenzechelin gute gedächtnuß machen, darumb prachen sie mir allzeit vor das eiß, unnd bestachen mir den Rein, unnd trancken am ersten ein guts Positzlin ein. Ich befind mich mechtig wol darbei, und mag nur des mehr zu Mittagimbiß essen: und mein alter Meister Tubald (welcher der Oberst seiner Licentz zu Pariß war) Predigt mir offt, das diß nicht gar der vortheil sey, geschwind[233] lauffen, sonder bei zeiten ablassen zuwissen. So ligt auch nit die gantz total häl gesundheit unserer Menschheit an dem, daß man wie die Canes lapp, Schlapp unnd Läpper, und tropffen für tropffen Schupff, sonder viel mehr an dem, daß man fein frü trinck: Unde Versus? Frü auffstehen ist nicht gut, Frü trincken noch das best thut.

Heißt nicht Plautus (welchen einmal ein Gugelkapp für Paulus laß) sich vor den Maulginenden Diätmalenden Tagkritlern unnd Tischpropheten hüten: dann sie rhaten eim wie Doctor Silvan dem krancken Bischoff von Gwewara, welcher ihm Fumum vitis, Rebenrauch verbot, unnd er tranck selbs den besten Wein von Sanct Martin fürs Fieber: Das heißt auff Eulenspiglisch der Bäurin das Muß erleidet, daß ers allein eß. Was gehn mich die Rotweise Kalendrige Fasten unnd Nitfasten an? Die Hund essen Graß, wann es regnen will, unnd sie Purgiren sich darmit. Was Diætæ, die einen tödten? Das Bäurelin und die Greta, sind dispare valde diæta, Sintemal der schlaffet, cum Greta parocho schaffet. Das ist, der Müller und sein Frau haben ungleiche mägen, dann er malt kaum bei tag, da sie auch wol bei nacht mag, und hindert sie kein klepperen daran. Derhalben auß mit disen langschaubigen Apoteckerpleichen, gespänstmageren, Seichstinckigen, bisamknopfigen Fürtzwindern, Eß kul Lapp iß, ein gulden vom Henckergang: recipe acht real für ein Schlotfegung, riech dran obs auch stinck wie Keysers Vespasians Scheißhaußzoll von den hinderärckern unnd arßcaminen: was wolten dise Leibmartler wissen, was da fehlet meim Magen, unnd understen Kränchskragen? sie erpurkratzen nur die Seckel, und machen auß der Natur ein Kindbetterin, binden die Leut ans bett, wickelen sie inn die Todenleinlach, Folteren, strecken, Arßbosselen sie, hinden ein plasen, oben außlassen, magenkrümmen, kopffverwirren, hirnschalen auffboren, fressen verbieten, sauffen verhüten, die Nabelspeiß den Weibern verschlagen, glett, Coloquint, Zinober, turbit, Tassia, Arsenicum und sonst gifft aufflegen unnd eingeben. Und warumb solten sie es nit thun, weil sies ungestrafft thun: Dann wie Bart, in l. omnes. la. 3. C. de Decurion. bezeugt, so haben sie im rechten kein widerstand, weil sie den Hebammen verglichen werden: Unnd was können dise Magenketzer?[234] Kont doch des Bapstes Leo Arsneiprütler mit einer Purgatz von 500 gülden den Elephanten, deßgleichen einer zu Speir den Seckel fraß, wiewol er ihm den Harn besah, nit für ein Pfennig scheissen machen: hett er dem Element (wie ihn der Baur nennet) darfür, wie die Apoteckergesellen zu Augspurg des Medici Esel, Pfeffer inn Arß gestreit. Derhalben will ich wol ohn den Treckenschlappius, Räsiß und Hupfinsgraß fressen, ohn ein Venedischen Koch, oder Teutsche Speißkammer, ohn daß Süßmaul Ficinum von treierley weiß zukröpffen, ohn Avile Bancket, sie seien Averroisch oder Rornanisch, Lacunisch oder Kornarrisch, Theophrastisch oder Erastisch, Serapionisch oder Scribonisch, Ramisch oder Carpentarisch, Simonisch oder Scheckisch, Füchssisch oder Meusisch, Fedronisch oder Desseunisch, Mercurialisch oder Wilandinisch, Brunisch oder Traffichettisch, Turnisch oder Kurtisch, Schwartzialupisch oder Matiolisch, Susisch oder Trinckavellisch, unnd sonst im Weinzanck Fumanellisch oder Clivanisch, Pistorisch oder Mannardisch. Es gilt mir gleich, wie der Frauen bei Nacht der Vetter oder Herr Peter. Man darff mich nicht in die Salernisch Schul führen, ich weiß on des, Nach Fischen Nuß eß, nach Fleisch die stinckende Keß freß. Hei wie sauber Klippelverß für die Jugend, Nicht hindere Bruntzen, nicht nötige hefftiglich arsum. Mit Eselen fartziß streite, sic non eges arzis. Vier ding auß winden, veniunt, so ventre verschwinden. Wer die Fürtz verkrümmen will, den grimmen sie her wider vil, laß rauschen was nicht bleiben will: Nicht iß beim Scheißhauß, so nicht wilt weiselen seichuß. Lig auff dem rechten Or, daß dir keiner ins Linck bor. Dann vinum saure, klinglitumm machet in aure. Aber Wein saltzt alles ein. Ruben helffen stomagum, wissen zuförderen Wintum, förderen urinam, schedigen auch zano ruinam etc. Aber non fortat debile membrum. Pringet Humores, Bacherach vinum meliores. Je stercker Wein, je schwecher bein. Nach Biren geb Potum, nach Potum eile cacotum. So satur es, totum mit Procken evome potum: Und widerkomm certa Gleser zulehren referta: Bist satt, so Spei dich matt, komm Traber, füll dich aber. Farcimen discis puellis ponito. etc. Dann ad caudam tendunt, ultrò manibusque præbendunt. Das ist, Wurst stellet den Meidlin den Durst, unnd[235] greiffen all, gern nach dem Al, und streichen kein Sand doch in die hand. Secht, secht, hat man mich nicht wol underwisen? Sic lacerare grossos coram ne desine bossos. Unnd im Dantz, werff sie herumb wie ein Küschwantz: daß Posteriora illis börtzelen wie heßlichen villis. Alsdann so offt dich liebet, dich schmitzelen küssele iubet. Diß nisi procures nit hertzecken Meidelis ures. Spöttiglich exibis, nimmermeh zulöffelen redibis. Sih da, Domine Preceptor, hab ich die Letz nit letz behalten? das heist Läuß inn Beltz gesetzt, Fischlin hast auch ein Röglin? Oha, solch ding lehrnet man ohn den einörigen Dorffcalmäuser: man hat mich nie darumb geschlagen, wie umb das betten. Dann sauffen, schmeissen, bulen, schweren. Darff man keinen wies betten lehren.

Darumb eck nur keiner meinen Magen auß. Ey ja eck biß zum andern eck, und leck biß zum andern, etc. Schmeckt es dir, so leck inn mir. Ich muß den magen selbs tragen, unnd sehen wo der Gänßkragen bekomm zu nagen, auch inn manch gefehrlich loch wagen: die Nonnendiet ist gut, umb vier gessen, zu fünffen schlaffen.

Mit solchen und dergleichen Worten, wüßt dieser schön Discipel seinem Hof unnd Lehrmeister zubegegenen, daß sie fro worden, zu schweigen, und ihn machen zulassen. Derwegen als er nach allem vortheil nun gefrüstuckt, gieng er zur Kirchen. Dann auff vollem Bauch, steht wol volle andacht, und auß der Kuchen in die Kirchen: Da trug man ihm in eim grossen ledern Sack ein groß schwer beschlagen und vereinpantoffelt Brevirbüchlin nach, welchs roh und an prettern, solen, beschläg, Clausuren, Leder und Pergamen wag eilft inn die zweilff virteil eins Centners Sechs Pfund a la grossa Venediger gewichts gegen Kaliß malis und Malucka respondirend. Da hört er sechs und zwentzig inn die treissig Messen auff eim fuß: Dann ubi maxima spes, ibi minitna res. Unnd conversò. Unter des kam sein Horasbetter und Tonsurat an statt, unnd ersetzt ihn mit seim matutinal unnd exequial, schön bestolet, bealbet, bekaselt, verschappliret, versubtilet, behandfanet, und behumeralet, wie ein Eul im Schornstein auch seinen Heiligen atham wol verbinet, vernitet und antidotirt mit starckem Weinelenden Sirup. Mit demselben mammelt und mummelt er alle seine Kirchen lös[236] uns: und erkernet, ertreschet, unnd erlaß es so eygentlich, das nicht ein einigs körnlin umbsonst auff die Erd ful, es hett kein frachmentaklaubend Hündlein darvon ein Brösamlein under des Herrn Tisch gefunden.

Als er nun auß der Kirchen wider gehen solt, führt man ihm auff eim Ochssenwagen und Weinschleiffen nach ein grossen plunder Paternoster von Sanct Claudi, daran ein körnlin so groß war als ein Filtzform oder Hutleist. Damit gieng er im kloster im Kreutzgang und Garten herumb, und bettet mehr als sechtzehen Einsidler de profundis auß der Gruben: Bißweiln flucht er darzu, wann er mit der Zungen stolpert: dann es colerirt sich mächtig wol, wann man zu Pferd singt.

Nach disem studiert er etwann ein halb verloren stündlin, mit gar genauen augen auff das Buch gedigen gericht, aber (wie der Comedidichter sagt) das gemüt in die Küchen geschicht. Folgends seycht er ein grosse Kachel voll, unnd setzt sich zu Tisch: Dann, wie Eupolides sagt, hat der ein recht Palamedisch Invent erfunden, so erstlich den Pruntzscherben hat erdacht unnd zum Tisch gebracht, gleich wie der, so den Schwammen auff den Hobelwagen. Auch weil er von Natur gar flegmatisch war, fieng er gemeinlich sein essen an mit etlich dotzend Schuncken, mit gereuchten Ochssenzungen, rauchgedörten Würsten, kalten Eyern, unnd anderen deßgleichen des Weins vorleuffern unnd Einfurirern, seim Vatter nachschlagend: dann der Apffel fellt nicht weit vom Baum.

Mitlerweil warffen sechs seines Hofgesinds, einer nach dem andern, daß sie einander ersetzten und vorspanten, stets mit vollen Schaufeln Obernähemischen Senff in das Maul, daß ihm die augen übergiengen: Dann der Senff war noch vom sauren Herbst. Darauf that er einen schrecklichen trunck weissen Weins, ihm alle strümpff und stock des leibs zubegiessen unnd zuerquicken. Demnach aß er wie es ihn ankam, so viel als ihm geful, spant die Backenleist, ließ zu thal, schütt auff die Mül, schwedert in sich wie ein Laugensack, schoppet sich unnd fraß biß ihm der Bauch strotzt, wie ein Füllwürst unnd Seusack. Im trincken hett er kein Maß, regel, noch zehengebott. Dann er sagt, maß unnd ziel des trinckens sey,[237] wann der trinckend Kerles seine Pantoffelsolen umb ein halben fuß auffplaset, die Nestel, hafften und Kneiflin aufftreibet, unnd oben zum halß ein mit eim Leffel mag den Wein erreichen unnd schnitten darein weichen. Das heißt ein zil gesteckt, ein Rock gelegt, es springt hernach, welchen gelust: Lang Füß theten es, aber nicht lang Arm: Wiewol wer ist arm? sind wir doch Reich Hudler, wir haben zerrissen Kleider.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 231-238.
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