Achtes Kapitel

[79] Jetzt kam Sophie. Ich hatte nicht den Muth die Augen aufzuschlagen. Mich dünkte, sie könne in meiner Seele lesen. – Ach, wie ich mit mir selbst kämpfte! – eine unwiderstehliche Kraft zog mich hin zu ihr, eine Andere stieß mich zurück.

Ihre Stimme hatte etwas unbeschreiblich Rührendes; und ich fragte nach verschiedenen Kleinigkeiten, blos um sie sprechen zu hören. Sie schien nicht ruhiger, als ich, und vermied absichtlich die Gelegenheit, mir näher zu kommen.

»Aber, meine theure Sophie!« – hub ich endlich an – »Soll mit meiner Krankheit denn mein ganzes Glück verschwinden?[79] – wollen Sie sich mir nun gar nicht mehr nahn?« –

Sie wollte antworten; aber die Empfindung schloß ihr den Mund. Mit einer unterdrückten Thräne im Auge reichte sie mir die Hand.

War sie wirklich so schön? oder war es Dankbarkeit, und von neuem erwachte Sinnlichkeit, die sie mir in diesem Augenblicke so reizend machte? – Genug, die Zukunft verschwand vor meinen Augen; und mit dem ganzen Wahnsinn der Leidenschaft that ich ihr das Bekenntniß meiner Liebe.

Ach ich hatte keinen andern Namen für meine Empfindung! – arme Weiber! Wie oft ist dies der Fall bey uns Männern, und wie schrecklich müßt ihr für diesen Irrthum büßen! –

Erst lange nachher habe ich begriffen: in welch einen peinlichen Zustand dies unbesonnene[80] Geständniß Sophien versetzen mußte. Ihr Verstand war im heftigsten Kampfe mit ihrem Herzen, und die Blässe, welche plötzlich ihr Gesicht überzog, bewieß nur gar zu sehr: wie viel sie von diesem Augenblicke für ihre Ruhe befürchtete.[81]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 79-82.
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