[99] Ein Viertelstündchen: dachte Herrmann, und benutzte es, ohne gehindert zu werden. Emilie konnte nicht auf ihn zürnen, er war ihr durch dieses Wagestück nur noch theurer geworden. – Guter Herrmann! sagte sie endlich, als er gehen wollte: wirst du mich ewig so lieben? – Gewiß, gab er zur Antwort; aber deine Ehre wird mir heilig sein! – Sie versprachen sich gegenseitige Behutsamkeit und nahmen Abrede für die Zukunft. Vielleicht war Emilie zu tadeln; aber sie wurde zu ihrer Heirath gezwungen. Wer würde sie nicht entschuldigen? – Noch einen Kuß! rief Herrmann, und war mit einem Sprunge in dem Garten.
Jetzt komme ich, liebe Tante! rief Emilie, und machte die Thüre auf. – Nun vertragt euch hübsch zusammen, sagte die Tante, und ließ sie allein. Der Bräutigam stürzte auf Emilien zu, aber sie wußte ihn zurück zu halten. – Nicht anrühren, mein Herr! sagte sie ernsthaft: ich bin keine Brutalitäten gewohnt.
Ihr Ton hatte ein gewisses Etwas, das ihn in Verlegenheit setzte. Er wollte sich beklagen, aber sie gab ihm keine Antwort, Herrmann! Herrmann! Diese Erinnerungen beschäftigten sie[100] zu lebhaft, und alle Bemühungen des Bräutigams waren vergebens.
Der Morgen brach an; es war der erste Tag ihrer unglücklichen Ehe, aber es sollte auch der letzte sein. Der Bräutigam hatte sich bei jener nächtlichen Gartenscene einen Schlagfluß geholt, und sie fand ihn todt an ihrer Seite. Der Schmerz, die Verzweiflung der Familie ist unbeschreiblich, aber Emilie hob ihre Augen dankend zum Himmel auf.
Herrmam! erfuhr alles, und faßte neue Hoffnungen. Die Familie war froh, ihn wieder kommen zu sehen, und sechs Monate nachher feierte er seine Brautnacht in dem nämlichen Zimmer.