Zweites Kapitel.

[171] Endlich! Endlich! rief die arme Henriette, und reichte ihm Hand und Wange hin. Er umarmte sie mit Inbrunst, und sie sank auf seine Schulter.

O welches Leben! sagte sie nach einer Pause, und trocknete sich die Augen. – P. antwortete ihr durch Liebkosungen. – Liebste Henriette! Deine Thränen machen mich unglücklich!

Wenn ich dich nicht hätte! fuhr sie fort: nur deine Liebe kann mich trösten!

Er: Gute, gute Henriette! Ach wer nur Mittel wüßte, sich öfter zu sehen!

Sie (leise und wehmüthig): Leider!

Er wollte fortfahren, als auf einmal der Oberste zu dem Thorweg hereinsprengte. – Himmel! rief Henriette und der Lieutenant wollte zum Fenster hinaus springen. – Nein, nein, bleiben Sie! fuhr sie gefaßt fort: las; mich[171] machen, lieber Leopold! – indem sie ihm ein Glas Wasser über den Aermel goß. Der Oberste kam die Treppe hinauf, und sie gieng ihm entgegen.

O gnädiger Herr! rief sie mit verstellter Aengstlichkeit: denken Sie, was mir passirt ist!

Er: Nun, mein schönes Frauchen! Was denn?

Sie: Da will ich ein Glas Wasser zum Fenster hinaus gießen; glücklicherweise geht der Lieutenant P. vorbei, und die ganze Geschichte kommt ihm auf den Hals.

Er: Ei, ei! – Nun?

Sie: Ich warf schnell das Fenster zu, allein in dem Augenblick trat er in's Zimmer. Haben Sie doch die Güte, gnädiger Herr, und reden Sie mit ihm. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll; ich bin gleich in das Nebenzimmer gesprungen.

Gut, gut, sagte der Oberste, und öffnete die Thüre: der Herr Lieutenant wird dir's wohl vergeben.

O! rief P., der Alles mit angehört hatte: ich glaubte, es wäre ein Domestike gewesen.

Nein, lieber Lieutenant! gab der Oberste freundlich zur Antwort: hier, mein böses Weibchen! – nehmen Sie's nicht übel! – Ich werde es zu schätzen wissen.

Lieut. P. O mein Herr Oberster! (mit einer tiefen Verbeugung) Jetzt hat es nichts mehr[172] zu bedeuten. Ich empfehle mich Ihrer Wohlgewogenheit! Ihr unterthänigster Diener!

Ein artiger junger Mann! rief der alte Herr: ein recht höflicher verständiger Mensch! – Nun, ich will ihn auch bestens recommandiren. Aber du mußt hübsch vorsichtig sein, liebes Jettchen! – Und nun begann ein langer Sermon, den das junge Weibchen mit Vergnügen hinnahm, indeß P. dem Kammermädchen einige Winke gab.

Ich weiß, was ich weiß! sagte diese beim Auskleiden zu Henrietten, und erzählte ihr Alles. Das arme Weibchen erröthete, und der Oberste klingelte, um noch eine Bouteille anzustechen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 171-173.
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