Trotz alledem!

[129] Variiert


Das war 'ne heiße Märzenzeit,

Trotz Regen, Schnee und alledem!

Nun aber, da es Blüten schneit,

Nun ist es kalt, trotz alledem!

Trotz alledem und alledem –

Trotz Wien, Berlin und alledem –

Ein schnöder scharfer Winterwind

Durchfröstelt uns trotz alledem!


Das ist der Wind der Reaktion

Mit Meltau, Reif und alledem!

Das ist die Bourgeoisie am Thron –

Der annoch steht, trotz alledem![129]

Trotz alledem und alledem –

Trotz Blutschuld, Trug und alledem –

Er steht noch, und er hudelt uns

Wie früher fast, trotz alledem!


Die Waffen, die der Sieg uns gab,

Der Sieg des Rechts trotz alledem,

Die nimmt man sacht uns wieder ab,

Samt Kraut und Lot und alledem,

Trotz alledem und alledem,

Trotz Parlament und alledem –

Wir werden unsre Büchsen los,

Soldatenwild trotz alledem!


Doch sind wir frisch und wohlgemut

Und zagen nicht trotz alledem!

In tiefer Brust des Zornes Glut,

Die hält uns warm trotz alledem!

Trotz alledem und alledem,

Es gilt uns gleich trotz alledem!

Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind,

Doch weiter nichts trotz alledem!


Denn ob der Reichstag sich blamiert

Professorhaft, trotz alledem!

Und ob der Teufel regiert

Mit Huf und Horn und alledem –

Trotz alledem und alledem,

Trotz Dummheit, List und alledem,

Wir wissen doch: die Menschlichkeit

Behält den Sieg trotz alledem!


So füllt denn nur der Mörser Schlund

Mit Eisen, Blei und alledem:

Wir halten aus auf unserm Grund,

Wir wanken nicht trotz alledem!

Trotz alledem und alledem!

Und macht ihr's gar, trotz alledem,

Wie zu Neapel jener Schuft:

Das hilft erst recht, trotz alledem!


Nur, was zerfällt, vertretet ihr!

Seid Kasten nur, trotz alledem!

Wir sind das Volk, die Menschheit wir,

Sind ewig drum, trotz alledem![130]

Trotz alledem und alledem:

So kommt denn an, trotz alledem!

Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht –

Unser die Welt trotz alledem!


Düsseldorf, Anfang Juni 1848.


Quelle:
Ferdinand Freiligrath: Werke in sechs Teilen. Band 2, Berlin u.a. [1909], S. 129-131.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon