Scena II.

[23] Salomon. Vlrich.


SALOMON.

Gehe hin vnd zeig Fraw Wibrad an,

Fraw Wendelgard sey auff der Ban,

Nach Buchhorn hin, habs jhr erlaubt,

Darmit jhr darnach werd geglaubt.

VLRICH.

Ich gehe hin zu vnd sprich jhn an,

Dann er ist gar ein freundlich Mann.

Ein guten Tag Gnädiger Herr,

SALOMON.

Danck hab mein Mann, wo kompst von ferr?

VLRICH.

Auß Sachssenland bin ich herkommen,

Von Hertzog Henrich, hab da gnommen

Ein Brieff an die Fraw Wendelgart,

Die von jhm her geboren wart.

Dere schickt jhr Vatter seinen Gruß,

SALOMON.

Fürwar ich dir das sagen muß,

Sie ist erst heut gehn Buchorn gangen,

VLRICH.

Was wirt sie dann guts da anfangen?

Ich bitt E.G. verargens mir nit,

SALOMON.

Sie ist hinzogen nach jhrem Sitt;

Ein Jartag da jhrm lieben Gmahl,

Zu halten heut, dann der Vnfahl,

Ihn vor vier jahrn hat auffgerieben,

Das er in einer Schlacht ist blieben,

Wie du vielleicht vorhin wirst wißen,[23]

VLRICH.

Sie hat sich alzeit guts beflissen.

Ist auch also erzogen worn,

Von jhren Eltern hochgeborn.

Nu weil ich sie hie nit antroffen,

Vnd solchen weiten Weg bin gloffen,

So wil ich stracks auff Buchhorn zu,

E.G. ich Gott befehlen thu.

SALOMON.

Zeuch hin mein Man in GOTtes namen,

VLRICH.

Villeicht mir kommen wider zsamen.

Mein Gott wie hat der Man so gar,

Ietz mein nit können nemen war.

Wie hat man mein so gar vergessen,

Nu geh ich hin, mag weder essen,

Noch trincken hie, biß ich anschaw,

Fraw Wendelgard die edle Fraw.

SALOMON.

Solt ichs bey meinem Eyd verjehn,

Hab ich den Man vor mehr gesehn.

Ich solt jhn kennen an der Stim,

Wan ich sölch Red von jhm vernim.

Kan doch mich jetz erinnern nit,

Vergessen ist der alten Sitt.

Dans alter solchs mit sich brengt,

Das einr nit allen Sachen denckt.

Nun wird es jetzund vmb die Zeit,

Das man nunmehr in dkirchen leut,

Muß sehn das mein Conuentual,

Zu Lobgesang sich schicken all.


Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 23-24.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon