Drei Bitten

[29] Drei Bitten hab' ich für des Himmels Ohr,

Die send' ich täglich früh und spät empor:

Zum ersten, daß der Liebe reiner Born

Mir nie versieg' in Ungeduld und Zorn;

Zum zweiten, daß mir, was ich auch vernahm,

Ein Echo weck', ein Lied in Lust und Gram;

Zum dritten, wenn das letzte Lied verhallt,

Und wenn der Quell der Liebe leiser wallt,

Daß dann der Tod mich schnell mit sanfter Hand

Hinüberführ' in jenes bessere Land,

Wo ewig ungetrübt die Liebe quillt,

Und wo das Lied als einz'ge Sprache gilt.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 29.
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