Leichter Sinn

[121] Und wie wär' es nicht zu tragen,

Dieses Leben in der Welt?

Täglich wechseln Lust und Plagen,

Was betrübt, und was gefällt.

Schlägt die Zeit dir manche Wunde,

Manche Freude bringt ihr Lauf;

Aber eine sel'ge Stunde

Wiegt ein Jahr von Schmerzen auf.


Wisse nur das Glück zu fassen,

Wenn es lächelnd dir sich beut!

In der Brust und auf den Gassen

Such' es morgen, such' es heut.

Doch bedrängt in deinem Kreise

Dich ein flüchtig Mißgeschick,

Lächle leise, hoffe weise

Auf den nächsten Augenblick.


Nur kein müßig Schmerzbehagen!

Nur kein weichlich Selbstverzeihn!

Kommen Grillen, dich zu plagen,

Wiege sie mit Liedern ein.[121]

Froh und ernst, doch immer heiter

Leite dich die Poesie,

Und die Welle trägt dich weiter,

Und du weißt es selbst nicht wie.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 121-122.
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