Schlimmer Besuch

[334] Die Grillen.


Siehst du das Wölkchen

Fließen im stillen?

Wir sind das Völkchen

Närrischer Grillen.

Des Bauern Kammer

Gab keinen Schmaus,

Des Handwerks Hammer

Trieb uns hinaus;

Doch ungebeten

Wollen wir rasten

Bei dem Poeten,

Bei dem Phantasten.

In die Gedanken

Beim Lampenschein

Schwirren und schwanken

Wir ihm hinein.


Der Poet.


Wie lastend drückt des Zimmers Decke

Hernieder, zum Ersticken schier!

Der Bücherstaub, in dem ich stecke,

Schafft ein unsäglich Unbehagen mir.

Ich bin nicht krank, und doch versaget

Mir jedes geistgeborne Wort –[334]

Doch sei's versucht – Auf! Unverzaget!

Und wirf die trüben Schleier fort!


Die Grillen.


Tu nicht so groß,

Als wärest du Meister:

Die kleinen Geister

Wirst du nicht los.

Hier, mein Geselle,

Sind wir zur Stelle,

Wo wir gedeihn;

Wir mischen dir leise

Mit Wermut die Speise,

Mit Mißmut den Wein;

Wir wandeln im Scherze

Die Hoffnung zum Schmerze,

Die Liebe zur Pein;

Hier helfen nicht Sprüche noch Kreuze noch Schwüre,

Und würfest du glücklich hinaus uns zur Türe,

Wir schlüpfen durchs Schlüsselloch wieder herein.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 334-335.
Lizenz:
Kategorien: