Weihnacht

[138] Wie bewegt mich wundersam

Euer Hall, ihr Weihnachtsglocken,

Die ihr kündet mit Frohlocken,

Daß zur Welt die Gnade kam.


Überm Hause schien der Stern,

Und in Lilien stand die Krippe,

Wo der Engel reine Lippe

Hosianna sang dem Herrn.


Herz, und was geschah vordem,

Dir zum Heil erneut sich's heute:

Dies gedämpfte Festgeläute

Ruft auch dich nach Bethlehem.[138]


Mit den Hirten darfst du ziehn,

Mit den Königen aus Osten

Und in ihrer Schar getrosten

Muts vor deinem Heiland knien.


Hast du Gold nicht und Rubin,

Weihrauch nicht und Myrrhenblüte:

Schütt' aus innerstem Gemüte

Deine Sehnsucht vor ihm hin!


Sieh, die Händchen zart und lind

Streckt er aus, zum Born der Gnaden,

Die da Kinder sind, zu laden,

Komm! Und sei auch du ein Kind!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 138-139.
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