MANFRED

[77] Und einer ihrer sprach: Der du hier nahest ·

Wer du auch seiest – forsche durch genaue

Erinnrung ob du diesseits je mich sahest!


Ich zu ihm tretend dass ich fest ihn schaue

Sah: er war blond und schön · von edlem schnitte ..

Nur spellte ihm ein hieb die eine braue.


Als zaghaft ich verneint dass unsre tritte

Sich je begegnet · fuhr er fort zu reden

Nach einer wunde weisend auf der mitte


Der brust und lächelnd: Sieh! kennst du Manfreden

Das enkelkind der kaiserin Konstanze?

Ich bitte dich kehrst du aus diesem eden:


Such meine schöne tochter die dem glanze

Siziliens und Aragons gab leben

Und sag wenn einer andres sagt dies ganze:[77]


Nachdem ich durch den körper fühlte beben

Zwiefachen todesstreich · hab ich mit bangen

Mich dem der gerne uns verzeiht ergeben.


Furchtbare sünden habe ich begangen

Doch sind der unbegrenzten Güte arme

So gross dass sie was zu ihr flieht erlangen.


Cosenza's hirte den mit seinem schwarme

Der papst mir nachgesandt – hätt er dies eine

Aus Gott gelesen wie er sich erbarme ·


So lägen ferner noch mir die gebeine

Bei Benevent am übergang der brücke

Und unter der bewachung wuchtiger steine.


Jezt treibt sie regenschutt und windes tücke

Zum Reich hinaus – zum fluss wohin er wollte

Dass mit verlöschten lichtern man sie rücke.


Doch gilt ihr bannstrahl nicht so viel dass grollte

Und nimmer wiederkäme ewige Liebe

Sofern ein keim von hoffnung grünen sollte.


Fegefeuer · III. Gesang · 103–135.[78]

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 77-79.
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