Zweite Szene.

[5] Hiram tritt aus der Höhle: Züge und Erscheinung sind seltsam und fremdartig. Drohend blickt er den Fliehenden nach.


HIRAM.

Die Stunde kam – Schicksal, herauf!

Der Zauber wirkt, sie kehren wieder –

Nun, Willens eherne Gewalt,

Steh fest, gebier mir Sieg und Macht!

Karthagos Gott auf kühner Fahrt

An Thules Felsenstrand zu führen,

Zwang meines Willens Macht die Sklaven;

Feigheit trieb sie aufs Meer zurück:

Der Feigen Flucht stählt meine Stärke –


[5] Dämonisch lachend.


Fahrt zu! Der Tod ist euch gewiß!

Der Gott am Ziel – mein die Gewalt!


Er wendet sich langsam zum Moloch.


Du Eisenklumpen, wie du dräust

Am Weihestein des starken Volks!

Moloch! Einst mein Gott, nun Knecht!

Heut lohnst du mir, daß übers Meer

Ich dich entführt in jener Nacht,

Wo's Tag ward, eh' die Sonne stieg,

Wo tausend Opfer deines Rachens

In Flammen schrien: »Moloch, hilf!

Entreiß' Karthago den Klauen Roms!«

Doch du standst stumm – Karthago sank!

Da kannt' ich dich – ohnmächtig Bild,

Da war mein wilder Plan gefaßt:

Noch herrscht im Lande Teuts kein Gott;

Nur wirre Ahnung füllt die Seelen,

Dunkle Sagen gehen um,

In Einsamkeit und Donnerrollen,

In Schrecken, Sturm und Not werd' einst

Ein Gott vom Himmel niedersteigen: –

Da stehst nun du: – Der Gott erschien!

Als meiner Rache Knecht hier büße,

Was an Karthago du verbrachst.

Dies Volk zwingst du zu meinen Füßen,

Des wilder Kraft das Ziel ich weise!

Ein Götze macht Hiram zum Gott!

Dann zittre, Welt! Vom Norden braust

Der Sturm in Romas bleiche Mauern,

Den Tiber tränk' ich mit Blut,

Die Flamme rast in trunknem Wüten,

Karthagos Rächer schürt die Glut,

In Trümmer stürzt das Kapitol: –

Dort soll zum Hohn dann Moloch thronen!


Aus dem Walde werden verworrene Stimmen hörbar.
[6]


Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 5-7.
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