Zweite Szene.

[25] Von der Feldarbeit kommend, treten Hiram und Volk im Hintergrunde links auf. Als Letzter erscheint Teut in lebhafter Bewegung.


HIRAM.

Trinkt Labung euch, und ruhet hier!


Einzelne schöpfen Wasser mit der hohlen Hand aus der Quelle; alle lassen sich zur Rast nieder; Hiram und Teut sitzen etwas erhöht auf einem gefällten Stamme.


Der Arbeit Lohn ist Erntelust.

Heut sprach der Gott ein neues »Werde«.

Gleich Milch in einer Mutterbrust

Schwellt frischer Saft die alte Erde.

Euch wird der Herbst ein Fest bereiten,

Und eure Heimat wird sich weiten:

Dann werdet ihr, das Meer zu knechten,

Statt Flößen schnelle Schiffe bauen,

In Hütten euch bei Frost und Nächten

Des Feuers heil'ger Glut vertrauen.

Zum Dank den segnenden Gewalten

Soll Teut für euch die Hand mir reichen –


Hiram erhebt sich feierlich; Teut folgt seinem

Beispiele.


So schwörst du, Moloch Treu' zu halten,

Der König ist ob allen Reichen?


Teut legt beide Hände zum Schwur in die Hirams und blickt ihm voll und sicher in die Augen. Alle haben in steigender Ehrfurcht gelauscht. Teut tritt träumerisch etwas vor, beginnt leise und leise fällt das Volk ein.


TEUT UND VOLK.

Moloch ist König, ist Herr des Seins;

Ihm weih' das Herz ich, ihm meine Stärke:

Sehnen und Schauen sind göttliches Eins.

Mich stählt der Glaube zu höchstem Werke.[25]

HIRAM.

Nun greift die Äxte, frisch ans Werk!


Er deutet auf die Eibe.


Aus dieses Stammes rotem Holz

Werden den ersten Kiel wir bilden.


Alle erheben sich unruhig.


EINZELNE MÄNNER.

Die Eibe?

FRAUEN.

Sie ist heilig.

HIRAM.

Wem?

TEUT.

Der Heimat Atem lebt in ihr,

Geheimnis wohnt in ihren Zweigen;

In hellen Nächten schritten wir,

Dem Lenz zum Gruß, um sie im Reigen.

Hier fiel des Königs Richterspruch,

Hier klang der Mutter Lied –

HIRAM.

Genug!

Im Sturm wird Moloch zürnend grollen

Dem, der nicht ihn allein verehrt!

Wer ihn zu hören einst begehrt,

Der kann nicht andern dienen wollen!


Teut schweigt betroffen. Hiram ergreift eine Axt.


So heb' ich selbst zum Streich die Axt!

Wer will mir wehren?[26]


Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 25-27.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon