Dritter Auftritt.

[67] Alcimna, zwo Aufwærterinnen.


ERSTE AUFWÆRTERIN. Wie sind wir glyklich, dass wir es sind, die man zu deinen Diensten bestimmt hat![67]

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Ja wahrhaftig glyklich, wenn du uns mit deiner Gewogenheit ehrest.

ALCIMNA. Ihr seyd sehr gutherzig, dass ihr mir so sehr gewogen seyd, da ihr mich doch nur den Augenblik zum ersten mahl sehet, ihr Jungfern!

ERSTE AUFWÆRTERIN. Wir sind ganz allein zu deinen Befehlen da; dazu hat dein gytiger Vater uns bestimmt.

ALCIMNA. Aber wenn ich auch alles ausdæchte, so wisst' ich doch izt nichts zu befehlen. Wie kann einer Person so viel fehlen, dass zwo nur dafyr bey ihr seyn myssen, um ihr zu gehorchen; entweder myssen die gar nichts zu thun haben, als sie anzugaffen, oder die andre muss sehr unruhig und wunderlich seyn.[68]

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Ein vornehmes Frauenzimmer muss sich niemals als nur mit Artigkeiten beschæftigen; das ybrige kœmmt immer uns zu. Dein Blik befiehlt, und wir fliegen; es giebt immer tausend Kleinigkeiten, die man zu befehlen hat.

ALCIMNA. Das begreif ich nicht. Ich muss lachen; Das wære so, wie wenn ich ein Veilgen haben wollte, das ich neben mir blyhen sæhe, und statt es mit kleiner Myhe selbst zu brechen, mysst' es meine Gespielin thun.

ERSTE AUFWÆRTERIN. Ja so ists, und wenn das Veilgen auch noch so nahe wære.

ALCIMNA. So unverschæmt und so træge kann ich nimmer seyn.[69]

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Erlaube, dass ichs dir sage; du must die einfæltigen Sitten an die Sitten der Hœfe vertauschen. Ein Frauenzimmer von Stande muss seinem Stande gemæss leben. Fyrhin werden wir dich nimmer verlassen, um dir Lehren zu geben.

ALCIMNA. Aber – – – mir deucht die einfæltigen. Sitten, so wie wir sie hier haben, sind darum bequemer und darum auch besser, weil sie sich von selbst geben, und nicht so myhsam myssen gelernt werden, wie wenn man einen Vogel einen fremden Gesang lehren will. Sagt mir noch was von den Sitten der Stadt; ich fyrcht, ich fyrcht, sie werden mir sehr beschwerlich seyn.

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Am Morgen, wenn du erwachest, und das ist, wenn der Mittag kœmmt; ein[70] Frauenzimmer von Stande erwacht nicht mit den Handwerks-Leuthen – – –

ALCIMNA. Wenn der Mittag kœmmt? Ich sollte also den muntern Morgen-Gesang der Vœgel nicht mehr hœren, und die Sonne nicht mehr aufgehen sehn; das wære mir artig.

ERSTE AUFWÆRTERIN. O! Das sind Kleinigkeiten, yber die vornehme Leuthe lachen.

ALCIMNA. Das ist nærrisch geredet, ihr Jungfern! Das wird mir eine artige Lebens-Art seyn, wenn sie sich schon so schœn anfængt. Nun weiters.

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Darnach werden wir beyde da seyn, und dich ankleiden; und das muss Anstands halber mehr als eine Stunde dauern; und[71] du wendest denn das ybrige des Vormittages an zum Ausbessern.

ALCIMNA. So muss mir das eine wunderliche Kleidung seyn, wenn ich zwo Gehylfinnen haben muss, um in einer Stunde nicht fertig zu werden. So wie ich hier bin, bin ich doch so reinlich und so gut gekleidet, als irgend ein Mædchen auf dieser Trift; und ich habe mir doch alle Morgen in der Quelle mein Gesicht gewaschen, die Haare aufgebunden, und frisch aufgeblyhete Blumen vor den Busen und in die Haare gepflanzt; und doch war ich alle mal fertig, wenn die Sonne kam.

ERSTE AUFWÆRTERIN. Das steht den Mædchens vom Lande gut.

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Nach diesem wirst du Besuche annehmen; wenn du nach der Stadt kœmmst,[72] wirst du das Gespræch aller Gesellschaften seyn; die ganze Jugend des Hofes wird sich zudrængen, die neu Angekommene zusehen; man wird dir tausend Lustbarkeiten anbieten, Music, Tanz, Gastereyen, alles, alles was die Wollust erfinden kann.

ALCIMNA. Nun, die Leuthe sind sehr gefællig; aber sie werden mir doch zur Last seyn, wenn ich immer soll was sie wollen, und nicht kann was ich will.

ERSTE AUFWÆRTERIN. Deine Schœnheit wird eine Menge Liebhaber anloken; da, bemerke das, must du, gegen alle gefællig, keinen zu viel hoffen lassen; je mehr schmachtende Liebhaber ein Frauenzimmer hat, je beneidens-werther ist sie. Bedenke, wie schmeichelhaft das ist, wenn einer den andern an Wiz, Pracht und Eifer, dir Vergnygen[73] zu machen, zu ybertreffen sucht. Das sind fyr eine Schœne die beneidens-wyrdigsten Tage.

ALCIMNA. O! Fyr mich werden sie es nicht seyn; nein, gewiss nicht!

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Warum? Das dynkt dich nicht angenehm; von allen jungen Herren angebettet, und von allen Schœnen beneidet zu seyn?

ALCIMNA. Nein, das dynkt mich nichts weniger als angenehm; weil ich mich nicht verstellen kann, und mich nicht verstellen will; weil ich niemanden kan glauben lassen, ich sey ihm gewogen, dem ich doch nicht gewogen bin; und weil mir die schmachtenden Herren alle zur Last seyn werden, weil ich keinen andern lieben kan, als den ich wirklich liebe.[74]

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Wie! Du liebest schon?

ALCIMNA. Ja, ja, ich scheu mich nicht, es zu gestehen; einen Hirten lieb ich, den lieb ich ohne Verstellung yber alles, und er liebet mich auch yber alles. Er ist schœn wie die aufgehende Sonne, und angenehm wie der Fryhling. Wie er, singt kaum die Nachtigall – – –

ERSTE AUFWÆRTERIN. Ha! Ha! Ha! Verzeihe, wir myssen lachen; verzeihe, gnædige Gebieterin! du wirst nicht lange in der Stadt seyn, um einen Hirten zu vergessen. Du wirst, ich wette, in kurzem yber dich selbst lachen, wenn du die muntre Jugend der Stadt erst gesehen hast, ihren Wiz, ihre Artigkeit. O wie leicht wird es dir seyn, einen einfæltigen Hirten zu vergessen! Ihm wird[75] der Verlusst nimmer ersezt werden; wie vird er in einfæltigen Tœnen den Bæumen seine Schmerzen klagen!

ALCIMNA. Lachet nicht; ich beschwœr euch, eh ich ihn vergesse, werd ich mein selbst vergessen. Weg mit euern unertræglichen Artigkeiten! Ihn werd ich lieben, ihn allein; ja, du Geliebter! eh sollen diese Bæume verderben, ehe die Wiesen verdorren; eh soll dein erquikendes Licht verlœschen, du Sonne! eh ich ihm ungetreu werde. Ja, du Geliebter! ich schwœr es dir – – –

ERSTE AUFWÆRTERIN. Schwœre nicht; dein Vater wird nicht zugeben, dass du deine edle Geburt so verschmæhest.

ALCIMNA zornig. Was ist das: Edle Geburt?[76] Ist nicht jede ehrliche Geburt edel? O! ich versteh eure wizigen Lehren nicht, die so wenig natyrlich sind; und ich will sie auch nie verstehen. Mein Vater! ich weiss es, er ist billiger; er wird nicht wollen, dass ich verlasse was ich am meisten liebe, und liebe was ich hasse; mit Unwillen verlass ich euch, ihr stillen Schatten! angenehme Gegenden! angenehme, unschuldige Geschæfte! euch an jenes Gewimmel zu vertauschen; aber ich verlass euch, einem geliebten Vater zu folgen. Er wird mich hier nicht gesucht haben, um mich unglyklich zu machen; und das wyrd ich seyn, unaussprechlich mysst ichs seyn, wenn er von dir mich trennen wollte, den ich unendlich liebe. O! macht mir nicht bange, meine Freundinnen! Nicht wahr, er wirds nicht thun?

ZWEYTE AUFWÆRTERIN bey Seite. Sie wird nicht wollen mit[77] nach der Stadt gehen, wenn man ihr alle Hofnung raubt; sie ist zu sehr verliebt, das gute Kind! Zu Alcimna. Dein Vater war immer gytig; ich hoff es selbst.

ALCIMNA. Ich hoff es nicht nur, ich glaub es; weñ ich ihn sehe, dann will ich mit Thrænen ihn umarmen, ich will so vest ihn umschlingen, wie das Epheu den Stamm umwindet; dann will ich ihn flehen und weinen, und gewiss – – – – Doch lasst mich gehn; mein Hirt wird recht ungedultig seyn, dass ich so lange nicht komme.

ERSTE AUFWÆRTERIN. Aber erlaube; du wirst ihn izt noch nicht sehen kœnnen.

ALCIMNA. Wie! Noch nicht sehen kœnnen?

ERSTE AUFWÆRTERIN. Ja.[78]

ALCIMNA. O lasst mich doch! Warum sollt ich ihn nicht sehen kœnnen?

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Wir haben Befehl, dich in dein Gezelt zu fyhren, um dir deinem Stande geziemende Kleider anzuziehen.

ALCIMNA. Aber das wird mich zu lange aufhalten; ihr mysst mir versprechen, dass es keine Stunde dauern soll.

ZWEYTE AUFWÆRTERIN. Nur wenige Augenblike.

ALCIMNA. Nun denn, geschwind! oder – – –


Quelle:
S[alomon] Gessner: Schriften. Band 3, Zürich 1762, S. 67-79.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Evander und Alcimna
Evander und Alcimna

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon