Der Stiefelputzer

[42] »O weh mir!« so schrie ich am Morgen darauf

Die Augen geöffenet kaum noch.

Ich fühlte schon wirkliche Prügel, trotzdem

Mich umfing ein lieblicher Traum noch.


»Hilf, Himmel! Was ist das? Er, Lümmel, wird Er –

Au! Au! – wohl in Ruhe mich lassen!«

So schrie ich, doch konnt' ich mich selber noch nicht,

Geschweige den Störenfried fassen.


Derselbe, er stellte sich vor als Wichsier,

Als ich endlich vollständig erwachte;

Er klopfete spanischen Rohres mich aus;

Die Comtesse, die Lotte, sie lachte.


Sie lachte, bis daß mir der Klopfer befahl

Nunmehr mir die Kleider zu rein'gen[42]

Und ihm, daß er ordentlich aus mich geklopft,

Durch Siegel und Schrift zu beschein'gen.


Dann fuhr mit 'ner Bürste er über den Frack,

Den seinigen, einige Mal sich;

Sang mir das »Heil, Pampel!« die Volkshymne, vor

Mit vielem Gefühl, und empfahl sich.


»Er ist,« so erklärte mir Lotte, das Bad

Von rothem Champagner bereitend,

»Ausübender Ministerialrath, im Fach

Der spanischen Röhre arbeitend.


Da die Bürger den Kopf sich mit schlechten Ideen

Im Gespräch und aus Büchern vollpfropfen,

So läßt die Regierung tagtäglich sie

Des Morgens gehörig ausklopfen.


Ich lachte, weil Du, der Du freilich noch nicht

Dich an diese Erfrischung gewöhnt hast,

Die kein Dummdummdummer entbehren mehr mag,

So ergötzlich geplärrt und gestöhnt hast.«

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Die Verkehrte Welt. Berlin 1862, S. 42-43.
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