Begräbniß und Kirchhof

[96] Ein Gelächter, ein Jauchzen! Es lockt mich hinaus,

Was seh' ich? Ein Leichenbegängniß!

»Er hat's überstanden,« so rufen sie aus,

»Das traurige Daseinsverhängniß!

Der Sklav, der den Kerker des Lebens verließ,

Geht ein nun in's ewige Lustparadies,

Juchhe! wo die Engel, die holden,

Uns von unten bis oben vergolden!


Wo die Häuser aus funkelndem Edelgestein;

Wo gebraten die Vögel 'rumfliegen;

Wo in Strömen von köstlichem, feurigem Wein

Weißzuckerne Schwäne sich wiegen;

Wo die seligen Sultane all von Konfekt,

Und das selige Volk sie beliebig beleckt;[96]

Wo die Mufti's uns waschen, und Nixen

Und Feeen die Stiefel uns wichsen!


Wo als adlige Ritter man wieder begrüßt

Unsere klügsten, plebegischsten Töffel;

Wo man Alles, die Luft selbst, die freie, genießt

Höchst vornehm mit silbernem Löffel!

Wo man Nektar verweigert, Ambrosia häuft,

Und Perlen, die köstlichsten, schwitzt, wenn man läuft;

Wo man Arien singt, wenn man prustet,

Und Volkshymnen reimt, wenn man hustet!


Wo die Dirne Moral uns den Becher kredenzt,

Kein Genuß von der Lust'gen bedroht ist;

Wo den ewigen Lenz man durchfaullenzt,

Und die Arbeit das einz'ge Verbot ist!

Wo zwei Magen man, also in einem stets hat

Appetit, wenn man just in dem anderen satt;

Wo der einzige Doctor der Schankwirth,

Und Keiner der Seligen krank wird!«


Das war's, was vom Jubelgeschrei ich verstand. –

Auf dem Kirchhof begruben die Leiche[97]

Viel Mufti's und machten dabei allerhand

Narrethei'n und possierliche Streiche.

Sie heulten und blafften, umtanzten das Grab,

Ueberhopsten's und warfen Kartoffeln hinab,

Und sammelten dann auf 'nem Teller

Sich Scudi's ein, Groschen und Heller.


Und zum Schlusse verlief die Beerdigungsschaar

Sich, den lachenden Erben noch bringend

Ein Hoch, ganz wie sie gekommen war,

Aufjauchzend, lärmend und singend.

Ich aber, ich ging durch den friedlichen Hain –

Beleuchtet von wunderbar magischem Schein –

Und las, was da meldeten Tafel und Stein

Von den Ruhenden allen, den Lieben,

Und hab', was davon mir geblieben

Im Ged-enkbuch, hier niedergeschrieben.

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Die Verkehrte Welt. Berlin 1862, S. 96-98.
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