[565] Azoth et Ignis,


oder


Wasser und Feuer.

1. Gleichwie die heil. Schrift nichts als nur ein einiges Ding zu lernen heißt, 666 aller Dinge Anfang, Mittel und Ende. Wer das erlernt und darin wandelt, der versteht Schrift und Geheimniß im Himmel und auf Erden und hat den Schatz des ewigen Lebens. Darf gar nichts mehr.[565]

2. Also im irdischen Schatz darf der Philosoph nicht mehr kennen und haben, denn ein Subjectum, heißt Azoth et Ignis oder Feuer, sind genug. Diese beiden sind beisammen in der Welt; wohl dem, der sie recht kennt, weiß, versteht und regieren kann, der hat den Lapidem Philosophorum, welchen alle Weisen der Welt gesucht haben, denn er gibt langes Leben, Gesundheit und Reichthum.

3. Der himmlische Stein aller Gläubigen, das ist, aller Weisen ist Jesus Christus, Gott und Mensch, gibt ewig himmlische Güter, keiner soll ohne den andern gesucht werden. Die Weltweisen suchen den irdischen und verlieren den himmlischen; die Gottweisen dagegen suchen den himmlischen und finden daneben den irdischen, ohne Mühe und Arbeit, ja es wird ihnen im Schlafe zugeworfen.

4. O, wie peinigen sich die Alchymisten bis in den Tod, suchen Particuluria und finden nichts, es wäre ihnen eine gewisse Verdammniß, so sie etwas fänden, ohne den himmlischen Stein. Suchten sie den Eckstein der Weisen, der von den Bauleuten verworfen, sie fänden in diesem himmlischen Universal das irdische Universal; also aber haben sie weder himmlisches noch irdisches. Es geht ihnen wie den falschen Theologen, die sich abmühen mit so vielen Künsten, Fakultäten, Sprachen, Vätern, Büchern, wollen die Theologiam ergreifen und treten den wahren [566] Theologum mit Füßen, sind alle wider ihn; er ist ihnen eitel Finsterniß in dieser und jener Welt.

6. Es ist nichts mehr denn ein Ding in Theologia, darin hast du alles, und es ist auch nicht mehr denn ein Ding in Philosophia oder Alchymia, darin findest du alle Particularia, heißt Azoth und Feuer. Hieher will gehören das γνῶδι σεαυτὸν. erkenne dich selber. O Mensch, kennst du dich selbst und Gott (Wort), so hast du genug hie und dort, darfst nicht mehr studiren und lernen, denn das, woraus du bist und mußt daneben durch dein Lernen eben das werden, das du lernst. Thust du das, so kommst du zu aller himmlischen und irdischen Weisheit, und wirst erkennen, welche greuliche Finsterniß in den hohen Schulen und Fakultäten sey.

6. Ich danke dir Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, daß du Theologiam und Alchymiam, das ist, alle himmlische und irdische Weisheit, verbirgst vor den Klugen und Weisen dieser Welt und offenbarest sie nur allein den Einfältigen, die da studiren das γνῶδι σεαυτόν, das ist, sich selber in Gott kennen.


Item, de Reconditis Alchymiae et Theologiae, dieselbe, von Verborgenheit der Alchymie und Theologie.

7. Das Antimonium und Blei,

Sind Principal der Alchymel.[567]

Alle Metalle zu transmutiren,

In Gold und Silber zu figiren,

Solches macht nicht Sol noch Argentum,

Ohne Blei und Antimonium.

Du kannst nicht seyn ein rechter Chymist,

Du seyst denn auch ein wahrer Christ.

In Christo Jesu alles liegt verfaßt,

Was die ganze Welt liebt und doch haßt.

Sie haßet Christi Lehr und Leben,

Der alle Schätz und Reichthum kann geben;

Das glaubt die ganze Welt gar nicht,

Drum ihr all' Kunst und Weisheit gebricht.

In einer Stunde man in Christo finden mag,

Welches alle Menschen suchen Jahr und Tag.

O Kinder lernet Christum kennen und lieben,

So werdet ihr nicht in solch Armuth getrieben,

In Christo alle Schätze liegen verborgen,

Die werden dir zufallen ohne Mühe u. Sorgen.

Wenn du nur in seiner Lehre wirst bestehen,

In seinem Leben und Wandel einher gehen,

So hast du die rechte Alchymel,

Dazu die rechte Theologei.


Item:


8. Gleichwie durch das Feuer die ganze Welt verbrennt und zerschmelzt werden muß und darauf schön, pur, rein, hell und klar Himmel und Erde geschaffen werden, also mußt du auch durchs Feuer, das ist, durchs mercurialische Wasser oder Astrum, die ganze Welt, das ist, Gold zerstören[568] und zerbrechen, tödten, ganz auflösen in ein Wasser. Die ganze Welt muß zu Wasser, das ist, das ganze Corpus des Goldes muß zu Wasser werden (zum Astro), das ist mit dem mercurialischen Wasser ein Ding. Daraus macht der Alchymist neue Himmel und Erde, und wie Christus ohne Kreuz und Leiden keinen lebendig macht noch selig, also kann auch das Gold ohne mercurialisch Wasser keine Tinktur noch Lapis seyn noch werden. Tod und Kreuz machen Christum und einen Christen. Darum muß Christi Kreuz und Tod nicht von außen zugerechnet werden, wie der falsche Theologe vor gibt, sondern durch die leibliche Vereinigung und durch die wesentliche Einpflanzung.

9. Wie sollte Christi Kreuz und Tod auch generiren einen neuen himmlischen Menschen, so ich nicht (realiter) wesentlich in, mit und durch ihn der Sünden abstürbe und muß es Gnade thun. Soll es nun Gnade thun, das ist, soll aus der Natur Gnade werden, so ist es nöthig, daß der Tod vorhergehe.

10. Das Weizenkörnlein ist für sich natürlich perfekt, mag aber weiter nichts von sich geben, es sterbe denn und faule. Also das Gold ist für sich natürlich perfekt, mag aber nicht mit gewaltiger Frucht andere Leiber tingiren, es sterbe denn zuvor und komme nach der Destruktion in ein neues Wesen, so tingirts übernatürlich.


Die Wiedergeburt ist nöthig.

[569] 11. Wir müssen durch Wasser und Geist wiedergeboren werden, also auch vom Stein zu verstehen. Denn wie Jerusalem, die himmlische ewige Stadt Gottes nicht eher werden kann, das alte werde denn zerstört und zerbrochen, also kann diese neue Welt, das ist Jerusalem, der Stein, Christus, keine unvollkommenen Leiber tingiren in Gold und Silber, das ist, ein unzerbrechliches, es sey denn in gleichem Feuer, in gleichem Kreuztode Christi, allda geschieht die Vereinigung, die Fermentation und Tinktur. Deßhalb ist die von außen zugerechnete Gerechtigkeit eine erdichtete und teuflische Gottesgelehrtheit.

12. Jesus Christus ist das neue Jerusalem. die Stadt Gottes, darin die Gottheit leiblich wohnt. Der wiedergeborne Mensch ist das neue Jerusalem, die Stadt Gottes, darin die Trinität leibhaftig wohnt. In Summa, es muß eine Tödtung und Wiederlebendigmachung geschehen, das ist, Auflösung und Wiedererhärtung in der Wärme. Hast du nun Christum, so leidest du mit ihm, wie Paulus sagt: mit leiden, mit gekreuzigt werden, mit sterben, mit begraben werden, und Röm. 6: so stehen wir auch auf mit ihm. Wo wir aber nicht mit ihm leiden und sterben wollen, so können wir auch nicht mit ihm zum neuen Jerusalem auferstehen, sondern[570] bleiben in unserem groben Adamischen Willen beim Teufel im Abgrund der Hölle. Denn wir sollen so vollkommen seyn, als unser Vater im Himmel, ist uns ebenso mit gesagt, so wir bei Christo seyn wollen als den Aposteln. Also hast du den Schlüssel zum Stein; solvier, coaguller, figier und endlich tingier, so hast du die ganze Kunst.


In seiner Postill, in Epiphania, am Ende.

13. Alle Menschen von Anfang suchen zwei Dinge, langes gesundes Leben und Reichthum oder volle Genüge. Christus ist der Stein zum heiligen Leben; aber dieses ist der Stein zum irdischen Leben, welcher auch ist das Licht, das Leben, und das Licht erleuchtende und lebendigmachende unsern Balsam, den Geist des Lebens. Er liegt verborgen in einem geringen verachteten Stein, wenig achten seiner, wiewohl ihn alle gerne haben; die Welt glaubts nicht, daß solche große Kraft darin verborgen liegt; es ist ein Stein, es ist eins, und ist Adam, aus ihm kommt die Eva; diese beide zusammen gebären das dritte, das ist eine Frucht; Sie ist der Mann, Er ist die Frau; Er gebiert aus seinem Leibe die Eva, durchs Weib wird er perfekt. Er ist aber Gold und Silber, welches das gemeine Gold und Silber nicht vermag. Er tingirt alles in ein beständiges Wesen. Er ist das Licht der Metalle. Niemand siehts als die Magier. Wenn[571] er herfürgewachsen ist in seine neue Geburt, verneuert er seinen eigenen Leib und augmentirt sich selbst. Er ist der rechte Stern, der Signatstern, der den Magis erscheint. O wie viele Fürsten, Könige, Herzoge, Grafen, Edle, Kaufleute, Bürger und Bauern trachten nach diesem einigen, und finden nichts durch ihre Alchymisten, welche sie Jahr und Tag gehalten; denn sie suchen nicht selber wie die Magi gethan haben und noch thun; sie ziehen ihm nach, bis sie ihn finden.

14. Er ist Tod und Leben, Licht und Finsterniß und das höchste Mysterium unter allen Geschöpfen; durch die neue Geburt wird er gefunden, denn er kann selber nichts machen, er sey denn neugeboren. Er ist das lebendige Wasser, welches alle Metalle lebendig macht, wer es gefunden hat, der bedarf nichts mehr. Er hat genug daran, zu Gold und Silber und zur Gesundheit und augmentiret sich selber durch seinen eigenen Leib. Er ist ein Geist und Leben, darum macht er seinen eigenen Leib geistlich und lebendig. Er ist ein Feuer und macht seinen eigenen Leib zu Feuer. Die Welt weiß das Mysterium nicht, glaubts auch nicht, was für Macht in diesem kleinen zarten Kindlein verborgen.

15. O Herr Gott, himmlischer Vater, der du durch den Stern die Weisen geführt hast, daß sie Christum deinen Sohn leiblich gesehen, laß uns dein Wort also leuchten, daß wir denselben[572] auch sehen und erkennen und uns an ihm nicht ärgern, so werden wir durch ihn selig werden. Amen!


Noch in seiner Postill Dominica Trinitat. am Ende.

16. Die falschen Theologen, die sich selbst nicht kennen, wollen alles hineinpredigen, hinein durch die Sakramente tragen, wird aber nichts daraus. Gleich als die falschen Alchymisten, die wollen den Lapidem machen durch äußerlich martialisch Feuer, so doch der Lapis Philosophorum sein eigen Feuer selber in ihm hat und bedarf kein äußerlich Ding, allein, daß er nur erweckt werde, das äußerliche muß innerlich werden; das ist die Wiedergeburt, die Umwendung, und also gehts mit einem Christen zu in seiner Wiedergeburt, das innere kommt heraus und das äußere hinein, wie wir an Christo, dem Erstgebornen, gesehen haben. Auch diese Welt ist wie der Lapis, sie war innerlich und ist äußerlich geworden, nun muß sie durch Zerbrechung und Tod wieder innerlich werden. Also wird das neue Jerusalem ewig bleiben ein rothgüldisch durchsichtig Antimonii-Glas, gleichwie der Stein, das ist der neue Himmel und die neue Erde, darin wir alle miteinander wohnen werden in Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Siehe da, das thut alles die Wiedergeburt in Gott, in der Welt, in Menschen und in allen Kreaturen. Amen!
[573]

Und Dominica Quinquages.

17. Soll der Alchymist aus Saturno, Jove, Mercurio, Venere Silber oder Gold machen, so vermag ers nicht mit dem alten Leibe der Metalle. Er muß sie gar tödten durch das Feuer, auf daß das unsichtige geistliche auferstehe in einem neuen, sichtbaren, vollkommenen Leibe, das da ist Gold und Silber, und nicht mehr stirbt im Feuer.


Ende.[574]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 565-575.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon