Segenspfänder

[10] Talisman in Karneol,

Gläub'gen bringt er Glück und Wohl;

Steht er gar auf Onyx' Grunde,

Küß ihn mit geweihtem Munde!

Alles Übel treibt er fort,

Schützet dich und schützt den Ort:

Wenn das eingegrabne Wort

Allahs Namen rein verkündet,

Dich zu Lieb und Tat entzündet.

Und besonders werden Frauen

Sich am Talisman erbauen.
[10]

Amulette sind dergleichen

Auf Papier geschriebne Zeichen;

Doch man ist nicht im Gedränge

Wie auf edlen Steines Enge,

Und vergönnt ist frommen Seelen,

Längre Verse hier zu wählen.

Männer hängen die Papiere

Gläubig um, als Skapuliere.


Die Inschrift aber hat nichts hinter sich,

Sie ist sie selbst und muß dir alles sagen,

Was hinterdrein mit redlichem Behagen

Du gerne sagst: Ich sag es! Ich!


Doch Abraxas bring ich selten!

Hier soll meist das Fratzenhafte,

Das ein düstrer Wahnsinn schaffte,

Für das Allerhöchste gelten.

Sag ich euch absurde Dinge,

Denkt, daß ich Abraxas bringe.


Ein Siegelring ist schwer zu zeichnen,

Den höchsten Sinn im engsten Raum;

Doch weißt du hier ein Echtes anzueignen,

Gegraben steht das Wort, du denkst es kaum.

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 10-11.
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