[Die schön geschriebenen]

[93] Die schön geschriebenen,

Herrlich umgüldeten[93]

Belächeltest du,

Die anmaßlichen Blätter,

Verziehst mein Prahlen

Von deiner Lieb und meinem

Durch dich glücklichen Gelingen,

Verziehst anmutigem Selbstlob.


Selbstlob! Nur dem Neide stinkt's,

Wohlgeruch Freunden

Und eignem Schmack!


Freude des Daseins ist groß,

Größer die Freud am Dasein,

Wenn du, Suleika,

Mich überschwenglich beglückst,

Deine Leidenschaft mir zuwirfst,

Als wär's ein Ball,

Daß ich ihn fange,

Dir zurückwerfe

Mein gewidmetes Ich;

Das ist ein Augenblick!

Und dann reißt mich von dir

Bald der Franke, bald der Armenier.


Aber Tage währt's,

Jahre dauert's, daß ich neu erschaffe

Tausendfältig deiner Verschwendungen Fülle,

Auftrösle die bunte Schnur meines Glücks,

Geklöppelt tausendfadig

Von dir, o Suleika.


Hier nun dagegen

Dichtrische Perlen,

Die mir deiner Leidenschaft

Gewaltige Brandung

Warf an des Lebens[94]

Verödeten Strand aus.

Mit spitzen Fingern

Zierlich gelesen,

Durchreiht mit juwelenem

Goldschmuck,

Nimm sie an deinen Hals,

An deinen Busen!

Die Regentropfen Allahs,

Gereift in bescheidener Muschel.

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 93-95.
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