|
[88] Die Vorigen. Antonio.
ALFONS.
Willkommen! der du uns zugleich dich selbst
Und gute Botschaft bringst.
PRINZESSIN.
Sei uns gegrüßt!
ANTONIO.
Kaum wag ich es zu sagen welch Vergnügen[88]
In eurer Gegenwart mich neu belebt.
Vor euren Augen find ich alles wieder
Was ich so lang entbehrt. Ihr scheint zufrieden
Mit dem was ich getan, was ich vollbracht,
Und so bin ich belohnt für jede Sorge,
Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten,
Bald absichtsvoll verlornen Tag. Wir haben
Nun was wir wünschen, und kein Streit ist mehr.
LEONORE.
Auch ich begrüße dich, wenn ich schon zürne.
Du kommst nur eben da ich reisen muß.
ANTONIO.
Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde
Nimmst du mir gleich den schönen Teil hinweg.
TASSO.
Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe
Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.
ANTONIO.
Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je
Aus deiner Welt in meine schauen magst.
ALFONS.
Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet
Was du getan und wie es dir ergangen;
So hab ich doch noch manches auszufragen
Durch welche Mittel das Geschäft gelang?
Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt
Wohl abgemessen sein, wenn er zuletzt
An deinen eignen Zweck dich führen soll.
Wer seines Herren Vorteil rein bedenkt,
Der hat in Rom gar einen schweren Stand:
Denn Rom will alles nehmen, geben nichts;
Und kommt man hin um etwas zu erhalten,
Erhält man nichts, man bringe denn was hin,
Und glücklich, wenn man da noch was erhält.
ANTONIO.
Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst,
Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht.
Denn welcher Kluge fänd im Vatikan
Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen
Das ich zu unserm Vorteil nutzen konnte.
Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich.
Der Greis, der würdigste dem eine Krone
Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden,
Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann
Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt[89]
Dich hoch! Um deinetwillen tat er viel.
ALFONS.
Ich freue seiner guten Meinung mich,
Sofern sie redlich ist. Doch weißt du wohl,
Vom Vatikan herab sieht man die Reiche
Schon klein genug zu seinen Füßen liegen,
Geschweige denn die Fürsten und die Menschen.
Gestehe nur was dir am meisten half!
ANTONIO.
Gut! wenn du willst: der hohe Sinn des Papsts.
Er sieht das Kleine klein, das Große groß.
Damit er einer Welt gebiete, gibt
Er seinen Nachbarn gern und freundlich nach.
Das Streifchen Land, das er dir überläßt,
Weiß er, wie deine Freundschaft, wohl zu schätzen.
Italien soll ruhig sein, er will
In seiner Nähe Freunde sehen, Friede
Bei seinen Grenzen halten, daß die Macht
Der Christenheit, die er gewaltig lenkt,
Die Türken da, die Ketzer dort vertilge.
PRINZESSIN.
Weiß man die Männer, die er mehr als andre
Begünstigt, die sich ihm vertraulich nahn?
ANTONIO.
Nur der erfahrne Mann besitzt sein Ohr,
Der tätige sein Zutraun, seine Gunst.
Er, der von Jugend auf dem Staat gedient,
Beherrscht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe,
Die er vor Jahren als Gesandter schon
Gesehen und gekannt und oft gelenkt.
Es liegt die Welt so klar vor seinem Blick
Als wie der Vorteil seines eignen Staats.
Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn
Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt was er
Im stillen lang bereitet und vollbracht.
Es ist kein schönrer Anblick in der Welt
Als einen Fürsten sehn der klug regiert;
Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht,
Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt
Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.
LEONORE.
Wie sehnlich wünscht ich jene Welt einmal
Recht nah zu sehn!
ALFONS.
Doch wohl um mit zu wirken?[90]
Denn bloß beschaun wird Leonore nie.
Es wäre doch recht artig, meine Freundin,
Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen
Die zarten Hände mischen könnten – Nicht?
LEONORE zu Alfons.
Du willst mich reizen, es gelingt dir nicht
ALFONS.
Ich bin dir viel von andern Tagen schuldig.
LEONORE.
Nun gut, so bleib ich heut in deiner Schuld!
Verzeih und störe meine Fragen nicht.
Zu Antonio.
Hat er für die Nipoten viel getan?
ANTONIO.
Nicht weniger noch mehr als billig ist.
Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht
Zu sorgen weiß, wird von dem Volke selbst
Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor
Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat
Als wackre Männer dienen, und erfüllt
Mit einer Sorge zwei verwandte Pflichten.
TASSO.
Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst
Sich seines Schutzes auch? und eifert er
Den großen Fürsten alter Zeiten nach?
ANTONIO.
Er ehrt die Wissenschaft, sofern sie nutzt,
Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;
Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom
Verherrlicht, und Palast und Tempel
Zu Wunderwerken dieser Erde macht.
In seiner Nähe darf nichts müßig sein;
Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.
ALFONS.
Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald
Vollenden können? daß sie nicht zuletzt
Noch hie und da uns Hindernisse streuen?
ANTONIO.
Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich
Durch deinen Namenszug, durch wenig Briefe
Auf immer dieser Zwist gehoben wäre.
ALFONS.
So lob ich diese Tage meines Lebens
Als eine Zeit des Glückes und Gewinns.
Erweitert seh ich meine Grenze, weiß
Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag
Hast du's geleistet, eine Bürgerkrone
Dir wohl verdient. Es sollen unsre Frauen[91]
Vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen
Geflochten dir sie um die Stirne legen.
Indessen hat mich Tasso auch bereichert:
Er hat Jerusalem für uns erobert,
Und so die neue Christenheit beschämt;
Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel
Mit frohem Mut und strengem Fleiß erreicht.
Für seine Mühe siehst du ihn gekrönt.
ANTONIO.
Du lösest mir ein Rätsel. Zwei Bekränzte
Erblickt ich mit Verwundrung da ich kam.
TASSO.
Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst,
So wünscht ich, daß du mein beschämt Gemüt
Mit eben diesem Blicke schauen könntest.
ANTONIO.
Mir war es lang bekannt, daß im Belohnen
Alfons unmäßig ist, und du erfährst
Was jeder von den Seinen schon erfuhr.
PRINZESSIN.
Wenn du erst siehst was er geleistet hat,
So wirst du uns gerecht und mäßig finden.
Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen
Des Beifalls, den die Welt ihm nicht versagt,
Und den ihm zehnfach künftge Jahre gönnen.
ANTONIO.
Er ist durch euch schon seines Ruhms gewiß.
Wer dürfte zweifeln, wo ihr preisen könnt?
Doch sage mir, wer druckte diesen Kranz
Auf Ariostens Stirne?
LEONORE.
Diese Hand.
ANTONIO.
Und sie hat wohl getan! Er ziert ihn schön
Als ihn der Lorbeer selbst nicht zieren würde.
Wie die Natur die innig reiche Brust
Mit einem grünen, bunten Kleide deckt,
So hüllt er alles was den Menschen nur
Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann,
Ins blühende Gewand der Fabel ein.
Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand
Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn
Fürs wahre Gute, geistig scheinen sie
In seinen Liedern und persönlich doch
Wie unter Blütenbäumen auszuruhn,
Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüten,[92]
Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt
Vom losen Zauberspiel der Amoretten.
Der Quell des Überflusses rauscht darneben,
Und läßt uns bunte Wunderfische sehn.
Von seltenem Geflügel ist die Luft,
Von fremden Herden Wies und Busch erfüllt.
Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt,
Die Weisheit läßt von einer goldnen Wolke
Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen,
Indes auf wohlgestimmter Laute wild
Der Wahnsinn hin und her zu wühlen scheint
Und doch im schönsten Takt sich mäßig hält.
Wer neben diesem Mann sich wagen darf,
Verdient für seine Kühnheit schon den Kranz.
Vergebt, wenn ich mich selbst begeistert fühle,
Wie ein Verzückter weder Zeit noch Ort,
Noch was ich sage wohl bedenken kann;
Denn alle diese Dichter, diese Kränze,
Das seltne festliche Gewand der Schönen
Versetzt mich aus mir selbst in fremdes Land.
PRINZESSIN.
Wer ein Verdienst so wohl zu schätzen weiß,
Der wird das andre nicht verkennen. Du
Sollst uns dereinst in Tassos Liedern zeigen
Was wir gefühlt und was nur du erkennst.
ALFONS.
Komm mit, Antonio! manches hab ich noch,
Worauf ich sehr begierig bin, zu fragen.
Dann sollst du bis zum Untergang der Sonne
Den Frauen angehören. Komm! Lebt wohl.
Dem Fürsten folgt Antonio, den Damen Tasso.
[93]
Ausgewählte Ausgaben von
Torquato Tasso
|
Buchempfehlung
Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.
266 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro