Erster Auftritt

[21] Wohnung des Marquis.

Der Marquis, hernach La Fleur.


DER MARQUIS in einem sehr eleganten Frack vor dem Spiegel. Geburt, Rang, Gestalt, was sind sie alle gegen das Geld! Wie dank ich der kühnen Industrie meiner Frau, daß sie mir[21] soviel verschafft. Wie anders seh ich aus, da ich nun das erstemal nach meinem Stande gekleidet bin! Ich kann nicht erwarten, bis ich mich öffentlich zeige. Er klingelt.

LA FLEUR. Was befehlen Sie, gnädiger Herr?

MARQUIS. Gib mir die Schatulle.

LA FLEUR bringt sie. So schwer hab ich noch nie daran getragen.

MARQUIS indem er die Schatulle öffnet. Was sagst du, sind diese beiden Uhren nicht schön, die ich gestern kaufte?

LA FLEUR. Sehr schön.

MARQUIS. Und diese Dose?

LA FLEUR. Kostbar und zierlich.

MARQUIS. Dieser Ring?

LA FLEUR. Gehört auch Ihnen?

MARQUIS. Diese Schnallen? Diese Stahlknöpfe? Genug, alles zusammen! Findest du mich nicht elegant und vornehm gekleidet?

LA FLEUR. Sie zeichnen sich nun auf dem Spaziergange gewiß vor vielen aus.

MARQUIS. Wie wohl mir das tut! – Aus Not ewig in der Uniform zu gehen, immer in der Menge verloren zu sein, die Aufmerksamkeit keines Menschen zu reizen! Ich hätte lieber tot sein mögen als länger so leben. – Ist die Nichte schon aufgestanden?

LA FLEUR. Ich glaube kaum. Sie hat wenigstens das Frühstück noch nicht gefordert. Es scheint mir, sie ist erst wieder eingeschlafen, seitdem Sie heute früh von ihr wegschlichen.

MARQUIS. Unverschämter! – Stille!

LA FLEUR. Unter uns darf ich doch aufrichtig sein!

MARQUIS. Wenn dir in Gegenwart meiner Frau so ein Wort entführe!

LA FLEUR. Glauben Sie nicht, daß ich Herr über meine Lippen bin?

MARQUIS. Noch kann die Marquise unmöglich etwas argwöhnen. Sie hält die Nichte für ein Kind, in drei Jahren[22] haben sie sich nicht gesehen; ich fürchte, wenn sie das Kind recht ansieht –

LA FLEUR. Das möchte noch alles gehen. Wenn sie nur nicht die Bekanntschaft mit dem alten Hexenmeister hätte; vor dem fürchte ich mich. Der Mann ist ein Wunder! Alles weiß er, alles verraten ihm seine Geister. Wie ging es im Hause des Domherrn? Der Zauberer entdeckte ein wichtiges Geheimnis, und nun sollte es der Kammerdiener verschwatzt haben.

MARQUIS. Er ist eben, soviel ich weiß, nicht der größte Freund meiner Frau.

LA FLEUR. Ach, er bekümmert sich um alles; und wenn er seine Geister fragt, bleibt ihm nichts verborgen.

MARQUIS. Sollte denn das alles wahr sein, was man von ihm erzählt?

LA FLEUR. Es zweifelt niemand daran. Nur die Wunder, die ich gewiß weiß –

MARQUIS. Es ist doch sonderbar! – Sieh zu, es fährt ein Wagen vor.


La Fleur ab.


MARQUIS. Wenn meine Frau mein Verhältnis zur schönen Nichte erfahren könnte! – Nun, es käme auf den ersten Augenblick an. Wenn sie ihre Plane durchsetzt, wenn ich ihr zum Werkzeug diene, läßt sie mich dann nicht machen, was ich will? – Sie selbst!


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Berlin 1960 ff, S. 21-23.
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