[168] Ein gemeines Wohnzimmer, an der Wand zwei Bilder, eines bürgerlichen Mannes und seiner Frau, in der Tracht, wie sie vor funfzig oder sechzig Jahren zu sein pflegte. Nacht.
Luise, an einem Tische, worauf ein Licht steht, strickend. Karoline, in einem Großvatersessel gegenüber, schlafend.
LUISE einen eben vollendeten gestrickten Strumpf in die Höhe haltend. Wieder ein Strumpf! Nun wollt' ich, der Onkel käme nach Hause, denn ich habe nicht Lust, einen andern anzufangen. Sie steht auf und geht ans Fenster. Er bleibt heut' ungewöhnlich lange weg, sonst kommt er doch gegen eilf Uhr, und es ist jetzt schon Mitternacht. Sie tritt wieder an den Tisch. Was die französische Revolution Gutes oder Böses stiftet, kann ich nicht beurteilen; so viel weiß ich, daß sie mir diesen Winter einige Paar Strümpfe mehr einbringt. Die Stunden, die ich jetzt wachen und warten muß, bis Herr Breme nach Hause kommt, hätt' ich verschlafen, wie ich sie jetzt verstricke, und er verplaudert sie, wie er sie sonst verschlief.
KAROLINE im Schlafe redend. Nein, nein! Mein Vater!
LUISE sich dem Sessel nähernd. Was gibt's, liebe Muhme? – Sie antwortet nicht! – Was nur dem guten Mädchen sein[168] mag! Sie ist still und unruhig; des Nachts schläft sie nicht, und jetzt, da sie vor Müdigkeit eingeschlafen ist, spricht sie im Traume. Sollte meine Vermutung gegründet sein? sollte der Baron in diesen wenigen Tagen einen solchen Eindruck auf sie gemacht haben, so schnell und stark? Hervortretend. Wunderst du dich, Luise, und hast du nicht selbst erfahren, wie die Liebe wirkt, wie schnell und wie stark!
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