Siebenter Auftritt


[208] Friederike. Nachher die Gräfin und der Hofrat.


FRIEDERIKE. Die Büchse ist noch, wie ich sie verlassen habe; die hat mir der Jäger recht gut versorgt. Ja, das ist auch ein Jäger, und über die geht nichts. Ich will sie gleich laden und morgen früh bei guter Tageszeit einen Hirsch schießen. Sie beschäftigt sich an einem Tische, worauf ein Armleuchter steht, mit Pulverhorn, Lademaß, Pflaster, Kugel, Hammer und lädt die Büchse ganz langsam und methodisch.[208]

GRÄFIN. Da hast du schon wieder das Pulverhorn beim Licht, wie leicht kann eine Schnuppe herunterfallen. Sei doch vernünftig, du kannst dich unglücklich machen.

FRIEDERIKE. Lassen Sie mich, liebe Mutter, ich bin schon vorsichtig. Wer sich vor dem Pulver fürchtet, muß nicht mit Pulver umgehen.

GRÄFIN. Sagen Sie mir, lieber Hofrat, ich habe es recht auf dem Herzen: könnten wir nicht einen Schritt tun, wenigstens bis Sie zurückkommen?

HOFRAT. Ich verehre in Ihnen diese Heftigkeit, das Gute zu wirken und nicht einen Augenblick zu zaudern.

GRÄFIN. Was ich einmal für Recht erkenne, möcht' ich auch gleich getan sehn. Das Leben ist so kurz, und das Gute wirkt so langsam.

HOFRAT. Wie meinen Sie denn?

GRÄFIN. Sie sind moralisch überzeugt, daß der Amtmann in dem Kriege das Dokument beiseitegebracht hat –

FRIEDERIKE heftig. Sind Sie 's?

HOFRAT. Nach allen Anzeigen kann ich wohl sagen, es ist mehr als Vermutung.

GRÄFIN. Sie glauben, daß er es noch zu irgendeiner Absicht verwahre?

FRIEDERIKE wie oben. Glauben Sie?

HOFRAT. Bei der Verworrenheit seiner Rechnungen, bei der Unordnung des Archivs, bei der ganzen Art, wie er diesen Rechtshandel benutzt hat, kann ich vermuten, daß er sich einen Rückzug vorbehält, daß er vielleicht, wenn man ihn von dieser Seite drängt, sich auf die andere zu retten und das Dokument dem Gegenteile für eine an sehnliche Summe zu verhandeln denkt.

GRÄFIN. Wie wär' es, man suchte ihn durch Gewinst zu locken? Er wünscht seinen Neffen substituiert zu haben; wie wär' es, wir versprächen diesem jungen Menschen eine Belohnung, wenn er zur Probe das Archiv in Ordnung brächte, besonders eine ansehnliche, wenn er das Dokument ausfindig machte? Man gäbe ihm Hoffnung zur Substitution. Sprechen Sie ihn noch, ehe Sie fortgehen; indes, bis Sie wiederkommen, richtet sich's ein.

HOFRAT. Es ist zu spät, der Mann ist gewiß schon zu Bette.[209]

GRÄFIN. Glauben Sie das nicht. So alt er ist, paßt er Ihnen auf, bis Sie in den Wagen steigen. Er macht Ihnen noch in völliger Kleidung seinen Scharrfuß und versäumt gewiß nicht, sich Ihnen zu empfehlen. Lassen wir ihn rufen.

FRIEDERIKE. Lassen Sie ihn rufen, man muß doch sehen, wie er sich gebärdet.

HOFRAT. Ich bin's zufrieden.

FRIEDERIKE klingelt und sagt zum Bedienten, der hereinkommt. Der Amtmann möchte doch noch einen Augenblick herüberkommen!

GRÄFIN. Die Augenblicke sind kostbar. Wollen Sie nicht indes noch einen Blick auf die Papiere werfen, die sich auf diese Sache beziehen? Zusammen ab.


Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 5, Hamburg 1948 ff, S. 208-210.
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