[386] GENIEN herbeieilend.
Immer sind wir noch im Lande,
Hier und dort mit raschem Lauf.
Sie nehmen die Ketten ab, zugleich mit dem Schmuck.
[386]
Erstlich lösen wir die Bande –
Richte du sie wieder auf!
Denn uns Genien gegeben
Ward gewiß ein schönes Teil;
Euer eigenes Bestreben
Wirke nun das eigne Heil.
Sie entfernen sich.
HOFFNUNG zu den wegeilenden Genien.
Nehmt Gotteslohn, ihr süßen Brüder!
Sie hebt erst den Glauben auf und bringt ihn gegen die Mitte.
Und steht nur erst der Glaube fest,
So hebt sich auch die Liebe wieder.
LIEBE die von selbst aufspringt und auf die Hoffnung loseilt.
Ja, ich bin's, und neugeboren
Werf' ich mich an deine Brust.
GLAUBE.
Völlig hatt' ich mich verloren,
Wieder find' ich mich mit Lust.
HOFFNUNG.
Ja, wer sich mit mir verschworen,
Ist sich alles Glücks bewußt.
Denn wie ich bin, so bin ich auch beständig,
Nie der Verzweiflung geb' ich mich dahin;
Ich mildre Schmerz, das höchste Glück vollend' ich;
Weiblich gestaltet, bin ich männlich kühn.
Das Leben selbst ist nur durch mich lebendig,
Ja übers Grab kann ich's hinüberziehn,
Und wenn sie mich sogar als Asche sammeln,
So müssen sie noch meinen Namen stammeln.
Und nun vernehmt! – Wie einst in Grabeshöhlen
Ein frommes Volk geheim sich flüchtete
Und allen Drang der himmlisch reinen Seelen
Nach oben voll Vertrauen richtete,
Nicht unterließ, auf höchsten Schutz zu zählen,
Und auszudauern sich verpflichtete:
So hat die Tugend still ein Reich gegründet
Und sich, zu Schutz und Trutz, geheim verbündet.
Im Tiefsten hohl, das Erdreich untergraben,
Auf welchem jene schrecklichen Gewalten[387]
Nun offenbar ihr wildes Wesen haben
In majestätisch häßlichen Gestalten
Und mit den holden überreifen Gaben
Der Oberfläche nach Belieben schalten
Doch wird der Boden gleich zusammenstürzen
Und jenes Reich des Übermuts verkürzen.
Von Osten rollt, Lauinen gleich, herüber
Der Schnee- und Eisball, wälzt sich groß und größer,
Er schmilzt, und nah und näher stürzt vorüber
Das alles überschwemmende Gewässer:
So strömt's nach Westen, dann zum Süd hinüber
Die Welt sieht sich zerstört – und fühlt sich besser:
Vom Ozean, vom Belt her kommt uns Rettung;
So wirkt das All in glücklicher Verkettung.
Ausgewählte Ausgaben von
Des Epimenides Erwachen
|
Buchempfehlung
Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.
196 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro