[286] Eugenie. Hofmeisterin.
EUGENIE.
Ist dies der Talisman, mit dem du mich
Entführst, gefangen hältst, der alle Guten,
Die sich zu Hilfe mir bewegen, lähmt?
Laß mich es ansehn, dieses Todesblatt!
Mein Elend kenn' ich; nun, so laß mich auch,
Wer es verhängen konnte, laß mich's wissen.
HOFMEISTERIN die das Blatt offen darzeigt.
Hier! Sieh herein.
EUGENIE sich wegwendend.
Entsetzliches Gefühl!
Und überlebt' ich's, wenn des Vaters Name,
Des Königs Name mir entgegenblitzte?
Noch ist die Täuschung möglich, daß verwegen
Ein Kronbeamter die Gewalt mißbraucht
Und, meinem Bruder frönend, mich verletzt.
Da bin ich noch zu retten. Eben dies
Will ich erfahren! Zeige her!
HOFMEISTERIN wie oben.
Du siehst 's!
EUGENIE wie oben.
Der Mut verläßt mich! Nein, ich wag' es nicht.[286]
Sei's, wie es will, ich bin verloren, bin
Aus allem Vorteil dieser Welt gestoßen;
Entsag' ich denn auf ewig dieser Welt!
O dies vergönnst du mir! du willst es ja,
Die Feinde wollen meinen Tod, sie wollen
Mich lebend eingescharrt. Vergönne mir,
Der Kirche mich zu nähern, die begierig
So manch unschuldig Opfer schon verschlang.
Hier ist der Tempel: diese Pforte führt
Zu stillem Jammer wie zu stillem Glück.
Laß diesen Schritt mich ins Verborgne tun;
Was mich daselbst erwartet, sei mein Los.
HOFMEISTERIN.
Ich sehe, die Äbtissin steigt, begleitet
Von zwei der Ihren, zu dem Platz herab;
Auch sie ist jung, von hohem Haus entsprossen:
Entdeck' ihr deinen Wunsch, ich hindr' es nicht.
Ausgewählte Ausgaben von
Die natürliche Tochter
|