Sechster Auftritt.

[21] Bärbchen. Die Vorigen.


BÄRBCHEN ohne den Obristen zu sehen, beschäfftigt ein Band um einen neuen Mannshut zu binden.

Ja, Lukas, dieser Hut soll dich,

Dich diese Schleife zieren;

In diesem Hute sollst du mich

Zum Traualtare führen.


Allein, wie leicht kann unsre Ruh

Indeß ein Unfall stören!

Ach, Lukas, ach! daß ich und du

Schon an der Kirchthür wären!

DER OBRISTE näher tretend. Guten Tag, mein Kind.

BÄRBCHEN erschrocken. Ach, ich glaube gar, es ist der gnädige Herr – Will ab.

DER OBRISTE sie zurückhaltend. Und darum willst du fort?[21]

BÄRBCHEN sich sträubend. Laß er mich los! – Lukas kann's nicht leiden – wenn's Lukas erfährt –

DER OBRISTE. Wir müssen bekannter mit einander werden, meine Tochter. Nicht so wild! Wer ist denn Lukas?

BÄRBCHEN. Mein Bräutigam.

DER OBRISTE. So viel hab' ich wohl schon gemerkt; aber wer ist er?

BÄRBCHEN. Mein Bräutigam, gnädiger Herr, und will durchaus nicht, daß ich mit einem andern Mannsbilde rede.

DER OBRISTE. Auch nicht mit mir? Aber um dir das verbieten zu lassen, mußt du erst seine Frau seyn.

BÄRBCHEN schnell. Ach, wär' ich's nur schon!

DER OBRISTE. Woran liegt's, daß du's noch nicht bist?

BÄRBCHEN. Frag' er meinen Vater und Lukas Mutter.

DER OBRISTE. Wollen die Alten nicht?

BÄRBCHEN. Sie wollen wohl, aber sie können[22] wegen der Zeit nicht eins werden. Das eine spricht Michaeli, das andere Martini, und darüber geht ein Vierteljahr nach dem andern hin.

DER OBRISTE. Das ist nicht recht.

BÄRBCHEN. Ja, ich bin auch manchmal so ungeduldig, so ängstlich – Als ich noch ein kleines Mädchen war, dacht' ich jedesmal, ich würde die Christbescherung nicht erleben – und jetzt, denk ich – wenn der Vater nicht bald macht – wird mir's noch gehen, wie Mariechen.

DER OBRISTE. Wie gieng's denn Mariechen?

BÄRBCHEN. Weiß er das Unglück nicht, gnädiger Herr? Schluchzend. Sie war meine Spielkameradinn, wir giengen zu gleicher Zeit in die Pfarre, und das Jahr drauf hielt sie mit Wilhelm Springer Verlöbniß; da tanzten wir noch bis um Mitternacht, und machten uns so lustig –

DER OBRISTE. Weiter, mein Kind!

BÄRBCHEN. Laß Er mich nur zu Athem kommen!

[23] Romanze.


In unserm ganzen Dorf war Sie

Das lieblichste Gesicht;

Kein Jüngling blühte so, wie Er,

Mein Lukas selber nicht.

Und beide waren gut und fromm

Von Kindesbeinen an,

Und beide sich, wie Engelein,

Mit Liebe zugethan.


Schon aufgeboten waren sie,

Ja, schon zum drittenmal;

Und morgen sollte Hochzeit seyn,

Bereit war Bett' und Mahl.

Da giengen sie noch Tags vorher

Hinaus, und gruben Leim;

Und ach! sie kamen dießmal nicht

Von ihrer Arbeit heim.


Denn über ihrem Haupte bricht

Das hohle Land, stürzt ein,[24]

Begräbt sie – ängstlich hört man noch

Sie unterm Schutte schreyn.

Zu spät! Man zieht sie todt hervor,

Auch noch im Tode schön;

Lautweinend kömmt das ganze Dorf,

Das Unglückspaar zu sehn.


Ein Hügel deckt sie nun, Ein Sarg

Umschließet ihr Gebein.

Der Kirchthür' gegenüber blinkt

Der goldne Leichenstein.

Beym Aus- und Eingang seh' ich ihn,

Und thränend fragt mein Blick:

Verdien' ich, Himmel, wohl von dir

Ein günstiger Geschick?

DER OBRISTE. Fürwahr eine betrübte Geschichte. Aber nimm sie weniger zu Herzen, meine Tochter. Du sollst es erleben, was Mariechen nicht erlebte. Ich will selbst mit deinem Vater reden.

BÄRBCHEN freudig. Soll ich ihn rufen, gnädiger Herr?[25]

DER OBRISTE. Heute nicht. Heute ist Jahrmarkt, und Freyheit die Losung.

BÄRBCHEN traurig. Wenn denn?

DER OBRISTE. Sey ruhig, mein Kind. Verlaß dich auf mich.

Bald soll der hochzeitliche Kranz

In deinen Locken prangen;

Bald soll dein Arm im Reihentanz

An Lukas Armen hangen.


Will ab, kömmt wieder.


Noch ein Wort, Kleine! Hat dir nicht eben ein Officier begegnet?

BÄRBCHEN. Ein Officier? Doch nicht der Herr Lieutenant?

DER OBRISTE. Denkt doch! Kennst du den Herrn Lieutenant?

BÄRBCHEN verdrüßlich. Ih wer kennt den nicht! Er kömmt ja oft genug herüber.

DER OBRISTE. Du bist nicht gut auf ihn zu sprechen.

BÄRBCHEN. Er macht's auch darnach.

DER OBRISTE. Trägt er vielleicht die Nase zu hoch?[26]

BÄRBCHEN. Das Gegentheil.

DER OBRISTE. Wie das?

BÄRBCHEN. Ey, er packt gleich an, und thut so vertraut, und läßt nicht los. Er hat mir schon ein paarmal mit Lukas Verdruß gemacht.

DER OBRISTE. Der unartige Mensch!

BÄRBCHEN. Ja, käme mir ein anderer so, ich wollt' ihn abführen – Mit einem Knix. aber vor des gnädigen Herrn gnädigem Herrn Vetter muß man denn freylich ein Auge zudrücken.

DER OBRISTE. Mein Vetter ist nicht besser, als ein anderer. Führ' ihn nur ab. Du thust mir einen Gefallen. Er mag dich bey mir verklagen.

BÄRBCHEN muthwillig. Wenn ich das wüßte –

DER OBRISTE. Ohne Bedenken, Mädchen! – Also – auf der Hochzeit sehen wir uns wieder. Ich darf doch das Strumpfband lösen?

BÄRBCHEN. Nein, Herr, aus Knie darf er mir nicht kommen.[27]

DER OBRISTE lachend. Schon gut. Komm mir nur indessen der Leimgrube nicht zu nahe. Geht ab.

BÄRBCHEN nachrufend. Sey er nur nicht von den vornehmen Leuten, die viel versprechen und wenig halten! An mir soll's nicht fehlen. – Ha! was wird Lukas zu der Nachricht sagen? Geschwinde zu ihm! Will ab.


Quelle:
Georg Anton Benda: Der Dorfjahrmarkt. Leipzig 1778, S. 21-28.
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