Achter Auftritt.

[477] Stefano. Vorige.


FABIO ihn von weitem erblickend. Nein! – es ist ein ganz zahmes – so wahr ich lebe, es ist der Bachuspriester, Stefano!

ORONZIO freudig. Ach, mein ehrlicher Vetter!

FABIO. Laßt uns eine Lust mit ihm haben! Ziehen sich auf die Seite und sprechen heimlich.

STEFANO kömmt näher ohne aufzublicken. Wenn ich mich nur erst überzeugen könnte, ob ich lebendig oder todt bin? Mit gefalteten Händen. Mächtiger Schutzpatron! erbarme dich eines armen Sünders! Gieb mir ein Zeichen!

ORONZIO UND FABIO schleichen von beyden Seiten herbey und schlagen ihn auf die Schulter, und rufen mit heiserer Stimme. Todt!

[477] Stefano fällt betäubt zu Boden.

Fabio lacht überlaut.


ORONZIO erschrocken. Vetter Stefano! – Zu Fabio. Verdammter Spaß! Ich habe dirs vorher gesagt, daß er ein furchtsamer Hase wäre.

FABIO. Er wird doch nicht gar ein Narr seyn, und todt bleiben?

ORONZIO kniet nieder und rüttelt ihn. Herzens Vetter! Komm doch wieder zu dir! Versteh doch Spaß!

STEFANO richtet sich halb in die Höhe, schlägt die Augen auf, erblickt die andern und schreyt. Gespenster! Hält sich mit beyden Händen die Augen zu. Ach! ich kann keine sehen, ob ich gleich selbst nur ein Gespenst bin.

FABIO reißt ihm die Hand vom Gesichte. Sperre doch nur die Augen auf

ORONZIO ihn bey der andern Hand fassend. Du wirst doch uns wieder erkennen? Wir sind's![478]

STEFANO. Oronzio! Fabio! seyd ihr auch gestorben?

ORONZIO indem er ihm auf die Beine hilft. Wir leben alle. Steh doch auf!

FABIO. Laß dich umarmen! wenn du's nicht glauben willst. Sie umarmen ihn wechselsweise, mit Karrikatur.

STEFANO indem sie ihn umarmen. Ach! Ach! laßt mich nur los! Ihr erstickt mich! – Wo sind wir denn?

ORONZIO. Wenn wir das selbst wüßten!

FABIO. Auf einer wüsten Insel.

STEFANO. Wüsten Insel? – Schmählicher Tod für einen Kellermeister, Durstes zu sterben!

FABIO. Vielleicht finden wir süsses Wasser.[479]

ORONZIO. Und Wurzeln und Kräuter, wie das liebe Vieh!

FABIO. Ihr seyd keine bessere Kost werth.

STEFANO. Ach wir armen Teufel, wie sind wir geprellt!

FABIO. Der Teufel selbst ist doch noch mehr geprellt, als ihr.

STEFANO. O, mahl' ihn nicht an die Wand, ich bitte dich!

FABIO. Er hatte schon so sichre Jagd auf eure Haut gemacht, und da reißt sie ihm der Schutzpatron wieder aus den Zähnen.

ORONZIO ihm drohend. Fabio, wo du nicht aufhörst, den Freygeist zu spielen – Es erhebt sich hinter dem Theater eine Musik von blasenden Instrumenten, wie ein Tafelsignal.[480]

FABIO. Horcht! Horcht! Eure Angst hat ein Ende. Läuft nach der Segend.

ORONZIO sich überall umsehend. Die Musik scheint uns nahe zu seyn.

STEFANO sich ebenfalls umsehend. So nahe, daß wir die Musikanten gewahr werden müßten. (die Musik schweigt.)

FABIO wiederkommend. Das ist eine närrische Kapelle! Sie hat sich unsichtbar gemacht.

ORONZIO indem er sich den andern nähert. Was hat das zu bedeuten, ihr Leute?

STEFANO noch furchtsamer, indem er beyde an sich zieht. Mir wird bänger, als jemahls.

FABIO. Und mir wächst der Muth. Jetzt weiß ich, wo ich bin. Die Insel ist bezaubert.

Einige Knaben als Sylfen erscheinen und bringen einen Tisch, der mit Früchten, Wein und Trinkgeschirren besetzt ist. Andere tragen eine aus Schilfrohr geflochtene Bank.
[481]

ORONZIO UND STEFANO. Bezaubert? o, Jemine!

FABIO. Ich sage: Juch he! – Gebt acht! wir werden hier hoch leben.

STEFANO. Ach es ist gewiß die Insel, von der meine Großmutter soviel schauerliche Dinge zu erzählen wußte.

ORONZIO. Ach! wenns nur nicht die ist, wohin der Pater Desiderio vorm Jahre meinen Kobold gebannt hat.

Ein blasendes Tafelsignal.


FABIO dreht sich um und erblickt die Tafel. Aha! Erst zur Tafel geblasen – dann die Tafel selbst! – Sagt ichs nicht? Es geht alles auf großem Fuße her.

ORONZIO sich munter stellend. Nun, Verter Stefano?

STEFANO. Alles, wie mir meine Großmutter erzählt hat.[482]

FABIO indem er den Tisch besieht. Ein herrliches Vesperbrod! Einfach und ungekünstelt, wie es Insulanern ziemt! – In den Flaschen ist wohl gar Wein? Er zieht den Geruch ein. So wahr ich lebe es ist Tokayer! – Nun ihr Herren, ist's nicht gefällig? Setzt sich und fängt während der Ritornells an zu essen. O onzio macht von Zeit zu Zeit einen langen Hals nach der Tafel.

Terzetto.


FABIO.

Nur beherzt! was kanns euch schaden?

Vivat, wer's mit mir versucht!

ORONZIO.

Könnt' ich mich der Furcht entladen,

Lange schon hätt' ich's versucht.

STEFANO.

Wo zum Mahle Teufel laden;

Bleibet Steffen unversucht.

ORONZIO näher tretend, und die Tafel mit lüsternen Augen musternd.[483]

Darf ich trauen? soll ich's wagen?

Freundlich lacht die fremde Frucht!


Nimmt, kostet und setzt sich.


FABIO indem er Stefano den Korb hinreicht.

Herrlich schmeckt die fremde Frucht.

STEFANO mit beyden Händen abwehrend.

Weg, mit der verbotnen Frucht!

FABIO trinkend.

Ha! wie stärkt der Wein den Magen! –

Wie erwärmet er das Blut!

Stefano wird aufmerksam und schielt hin.


ORONZIO gleichfalls trinkend.

Wie befeuert er den Muth!

STEFANO näher kommend. Zu Oronzio. Ist er gut? Zu Fabio. Ist er gut?

ORONZIO UND FABIO indem sie ihm ein Glas einschenken. Kost' ihn selbst! Was hilft das Fragen?

STEFANO zu Oronzio. Ist er geistig? Zu Fabio. Ist er schwer?

ORONZIO UND FABIO. Kost' ihn selbst![484]

STEFANO mit abgewandtem Gesichte.

Je, reicht nur her!


Nimmt, kostet und schlürft das Glas aus.


Er ist gut!


Reicht das Glas hin.


ORONZIO UND FABIO.

Noch mehr?

STEFANO.

Noch mehr!

ALLE indem sie die Gläser anstoßen.

Laßt uns nicht vor Grillen zagen!

Nur der erste Schritt ist schwer.


Sie essen und trinken um die Wette.


FABIO stetzt rasch auf. Lebt wohl, ihr Herrn! Jetzt habe ich frische Kräfte gesammelt, und will noch einen Versuch machen, unsern guten Prinzen auf zu suchen.

ORONZIO. Bleib, und sey mit uns guter Dinge, hörst du? und laß ihn in Gottes Namen, wo er geblieben ist. Mit der Prinzenschaft ists hier vorbey: wenn er uns braucht, mag er uns nachlaufen.[485]

STEFANO. Das ist mein Rath auch. Hier sind wir soviel, als er. Allenfalls wollen wir ihm ein Gläschen Wein aufheben.

FABIO. Pfuy über euch Sclavenseelen! – Ihr dientet ihm um Sold. Ich hieng mit ganzer Seele an ihm. Mir war er mehr als Herr. Er war mir Freund.

ROMANZE.

Ich sollte hier,

Getrennt von dir,

O Freund, des Lebens Freuden schmekken?

Ich sollte hier

Die Arme dir,

In träger Ruh entgegenstrecken?

Nein, fort von hier!

Zu dir, zu dir!

Müh und Gefahr soll mich nicht schrekken,

Treu meiner Pflicht,

Ermatt ich nicht,[486]

Bis meine Blicke dich entdecken.

Und wenn dich gleich

Erstarrt und bleich

Des Todes kalte Schatten decken –

D Königssohn!

Mein Hauch, mein Ton,

Mein Kuß soll dich ins Leben wecken.


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 477-487.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Über den Umgang mit Menschen

Über den Umgang mit Menschen

»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge

276 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon