[515] Die Vorigen, nachher Caliban, dann Prospero, am Ende Ariel unsichtbar.
MIRANDA. Armer Freund! o warum hat der Himmel nicht mich zu deiner Sclavin gemacht? – Unsere Abkunft war einander gleich; unsere Schicksale sollen es auch seyn! – Nimm meinen Beystand an, komm!
Hand in Hand abgebend.
[515] Final.
CALIBAN sieht Fernando mit Miranda abgehen, und stutzt.
Noch ein Fremdling?
Und Miranda,
Statt zu fliehn,
Leitet ihn? –
Tod und Hölle!
Wie viel Schelme
Hat die Welle
Ausgespieen?
Ha Geselle!
Auf der Stelle
Laß mich spähn,
Dich zu sehn.
Kriecht in das Gebüsch um sie zu belaufchen.
PROSPERO tritt auf.
Ich will spähn,
Nicht sie stören.
Sieht sich überall um.
Nichts zu sehn
Noch zu hören.
Sie und er[516]
Sind verschwunden! –
Alles leer! –
MIRANDA UND FERNANDO hinter dem Theater.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süßes Ding!
PROSPERO geht nach der Seite, wo der Gesang herkömmt, und wird sie durch die Bäume gewahr..
Ha gefunden! –
Treu verbunden.
Wie es scheint –
Ja, sie weilet
Um den Freund,
Ja sie theilet.
In der Unschuld
Stillen Würde,
Seine Bürde,
Seinen Schmerz –
Und vertauschen
Herz um Herz.
MIRANDA UND FERNANDO wie vorhin.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding![517]
CALIBAN den Kopf aus dem Busche steckend.
Satt gelauschet!
PROSPERO für sich.
Horch! was rauschet?
Wird Caliban gewahr, und zieht sich zurück, um ihn zu behorchen.
CALIBAN geht wieder vorwärts.
Ist's ein Traum?
Haben kaum
Sich gefunden,
Und schon find,
So geschwind,
Als der Wind
Beyder Herzen
Auch verbunden! –
Indem er wieder hinblickt.
Wie sie scherzen!
Schmachtend blicken!
Sich die Hände
Voll Entzücken
Feurig drücken!
Stampft mit dem Fuße.
[518]
Macht ein Ende!
Ha, vor Neide
Werd' ich blind! –
FERNANDO UND MIRANDA wie vorhin.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!
CALIBAN der indessen nachsinnend auf und abgegangen.
Falsche Beyde!
Lernet zittern!
Euch die Freude
Zu verbittern,
Zu bestrafen
Den Verrath,
Weiß ich Rath –
Stille, stille
Bis zur That! –
Nach Fernando hinzeigend.
In der Hülle
Dieses Sclaven
Werde mein Triumph vollbracht,
Heute Nacht. –
Dieses schlanken Wuchses Pracht;[519]
Diese kühne
Heldenmiene;
Dieses Lächelns Zaubermacht;
Dieses Auge voll Verlangen;
Diese Wangen,
Frisch und rund;
Diesen Mund,
Zum Kuß geschaffen;
Alle diese Liebeswaffen,
Leg' ich an,
Sie zu fah'n! –
Ha, wie wird Mirandchen gaffen!
Caliban,
Welch ein Plan!
CAVATINA.
Wenn in Thränen,
Meinem Sehnen
Sich der Schönen
Stolz ergiebt –
Soll sie wähnen,
Die Bethörte,
Sie erhörte,
Den sie liebt!
Ab.
[520]
PROSPERO kömmt wieder näher, und sieht ihm nach.
Ha, der Freche!
Welch ein Plan! –
Ach, er sieget,
Sie erlieget
Ihrer Schwäche,
Ihrem Wahn. –
Rath und Hilfe,
Treuer Sylfe!
Eil herbey!
Lehr' ein Mittel
Mich erdenken,
Das den Ränken,
Des Verwegnen
Zu begegnen,
Fähig sey!
Ab.
Fernando, Miranda treten auf, jedes trägt einen Arm voll Holz.
MIRANDA.
Lied.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!
Meine Seele, hebet[521]
Sich auf ihrem Flügel;
Meine Seele schwebet,
Neu von ihr belebet
Ueber Thal und Hügel,
Gleich dem Schmetterling.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!
FERNANDO zu gleicher Zeit, und indem sie gemeinschaftlich das Holz in Ordnung legen.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding! –
Muth giebt sie zur Arbeit,
Hilft sie uns verrichten.
Eine Blumenkette,
Werden unsre Pflichten,
Und am Thron der Liebe
Hängt der Kette Ring.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!
Nach geendigter Arbeit umarmen sie sich.
BEYDE.
Liebe, nimm die Weihe
Unsrer Herzen an![522]
Dir, mit frommer Treue
Ewig hingegeben,
Laß uns durch das Leben
Froh, wie Kinder, schweben!
Deine Fackel streue
Licht auf unsre Bahn!
Liebe, nimm die Weihe
Unsrer Herzen an!
Sie sehen Prospero kommen, und ziehen sich schüchtern auf die Seite.
PROSPERO tritt mit feyerlicher Schwermuth auf.
Ein Jedes scheide!
Die Nacht bricht ein.
Ihr müßt euch beyde,
Der Stille weihn.
FERNANDO UND MIRANDA zu einander.
Laß uns dem Schlummer
Entgegen gehn!
Uns weckt der Morgen
Zum Wiedersehn.
PROSPERO.
Mit bangen Sorgen
Droht mir die Nacht.[523]
Ehrt meinen Kummer!
Ehrt ihn, und wacht!
BEYDE zu Prospern.
Fern soll der Schlummer!
Fern von uns seyn.
Laß uns im Kummer
Dir Trost verleihn!
PROSPERO.
In meinen Kummer
Dringt niemand ein.
Entsagt dem Schlummer!
Laßt mich allein!
BEYDE.
Ach nein! Ach nein!
Laß uns im Kummer
Dir Trost verleihn!
PROSPERO.
Nein! Nein! Nein! Nein!
Ihr geht von dannen
Indem er zwey schwarze Beutel hervorzieht.
Geheime' Kräfte
Den Schlaf zu bannen,
Birgt ein Geschäfte[524]
Von sichrer Wahl.
Hier sind Korallen
Reicht jedem einen Beutel hin.
Dem Sonnenstrahl,
Beym Niederwallen,
Als Thau entfallen
Im nächsten Thal!
Mir unverborgen
Ist ihre Zahl.
Ihr zählt bis morgen,
In ernsten Sorgen,
Die ganze Zahl.
BEYDE indem jedes dem andern seinen Beutel zeigt.
O leichte Sorgen!
Wir gehn zusammen,
Und wissen morgen
Die ganze Zahl.
PROSPERO.
Nein! nicht zusammen!
Zu Fernando.
Du zählst allein.
Zu Miranda.
Du zählst allein.[525]
BEYDE.
Laß uns beysammen!
PROSPERO.
Es kann nicht seyn.
BEYDE.
Laß im zählen uns zusammen
Unverdrossen Beystand leihn!
PROSPERO.
Nein! Nein! Nein! Nein!
BEYDE.
Kannst du diesen Wunsch verdammen?
Frey von ungeweihten Flammen,
Giebt die Freundschaft uns ihn ein.
PROSPERO mit majestätischem Zorne.
Schweigt und zittert! ich befehle. –
Zu Fernando.
Wach und zähle!
Zu Miranda.
Wach und zähle!
Zu Fernando.
Fleuch sie!
Zu Miranda.
Meid' ihn, wie den Tod!
BEYDE für sich.
Schauder fasset meine Seele.
Zu Prospero.
Widerrufe dein Verbot![526]
PROSPERO.
Schweigt und zittert! ich befehle –
Trennet euch!
Für sich.
o bange Nacht!
BEYDE zu einander.
Schauder fasset meine Seele!
Lebe wohl!
Für sich.
o bange Nacht!
ARIEL ungesehen.
Ruhe kehr' in deine Seele!
Maja lebt! ihr Auge wacht.
Prospero, Fernando, Miranda jedes besonders ab.
Ende des zweyten Akts.
[527]
Buchempfehlung
Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro