Der Irenzins.

[67] Was halte ich euch hier länger an?

Der landesflüchtige Tristan,

Da der gen Kornwall wieder kam,

Zur Stund er eine Märe vernahm,

Die ungern ward von ihm vernommen:

Es sei vom Irenlande kommen

Morold, der gar sehr starke,

Und fordere von Marke

Mit kampfbereiten Handen

Den Zins von beiden Landen,

Von Kornwall und von Engelland.

Mit dem Zinse war es so bewandt:

Der da in Irland König was,

Wie ich in der Historie las

Und kund die rechte Märe thut,

Derselbe hieß Gurmun Wohlgemuth,

War geboren von Afrika,

Und war sein Vater König da.

Nun der verschied, so fiel das Land

An ihn und seines Bruders Hand,

Der so wohl Erbe war als er.

Gurmun war aber von Begehr

So herrisch und so hochgemuth,

Daß er verschmähte, gemeines Gut

Zu haben mit einem andern Mann.

Sein Herze trieb ihn immer an,

Er müsse selbst ein Herre sein.

Da wählte er sich insgemein

Die Starken, die Muthfesten

Und in der Noth die Besten,

Die man kannte als die Rechten,

Von Rittern und Fußknechten,

Die er mit seinem Gute

Oder mit höfischem Muthe

Für sich mochte gewinnen,

Und fuhr auch gleich von hinnen

Und ließ dem Bruder all sein Land.


Nun daß sein Sinn auf Orlog stand,

So nahm er von den Siegern,

Den mächtigen Romakriegern,

So Urlaub als Bestallung hin:

Er sollte seines Schwerts Gewinn

Für sich haben zu eigen

Und ihnen davon erzeigen

Etliche Rechte und Ehren.

Da ließ er's nicht lange währen:

Er fuhr mit einem starken Heer

Ueber Land und über Meer,

Bis daß er zu den Iren kam

Und Sieg an ihrem Lande nahm,

Daß ihre Kraft darnieder sank

Und sie ihn mußten ohne Dank

Zum Herrn und König nehmen

Und sich dazu bequemen,

Daß sie ihm zu allen Zeiten

Halfen mit Stürmen und Streiten

Die Nachbarlande zwingen.


In diesen selben Dingen

Bezwang er auch an seine Hand

Ganz Kornewall und Engelland.

Da war aber Marke noch ein Kind,

Unwehrhaft, wie die Kinder sind,

Kam so von seiner Herrlichkeit

Und ward Gurmunen zinsbar seit.

Auch half Gurmunen dieses sehr

Und gab ihm große Kraft und Ehr,

Daß er Moroldens Schwester nahm,

Davon er in Furcht und Ansehn kam.

Der war ein Herzog dort zu Land,[67]

Und hätte in seiner eignen Hand

Gerne ein Land besessen;

Denn er war sehr vermessen,

Hatte Land und großes Gut

Und war mannlich an Leib und Muth.

Der war Vorfechter für Gurmun.

Was aber der Zins gewesen nun,

Den man sandte den Iren

Aus jeglichen Revieren,

Dessen bescheide ich euch fürwahr:

Sie sandten ihnen das erste Jahr

Dreihundert Mark von Messing schwer,

Und aber dazu nichts andres mehr,

Das andere Silber, das dritte Gold;

Im vierten Jahre, da kam Morold

Der Starke vom Irenland, bereit

Zu jedem Kampf und zu jedem Streit.

Vor diesen wurden da besandt

Aus Kornwall und aus Engelland

Die Barone und Großen:

Die mußten allda loosen

Vor seinen eignen Augen

Um Kinder, welche taugen

Zu Hof und Hofdienst sollten

Und wären unbescholten

Von Leibe und dem Hof genehm,

Wer sein Kind müsse geben Dem:

Nicht Mägdlein, Knaben nur allein,

Und sollten ihrer dreißig sein

Aus jeglichem der Lande;

Auch durfte dieser Schande

Niemand anders zuwider stehn,

Es müßte im Zweikampf denn geschehn

Oder aber im Landgefecht.

Nun mochten sie aber zu ihrem Recht

Mit offner Gegenwehr nicht kommen:

Die Lande hatten abgenommen;

Auch war Morold sehr stark und groß,

Arg, zornig und erbarmungslos,

Daß wider ihn nicht leicht ein Mann,

Sah er ihn Aug in Auge an,

Zu setzen wagte seinen Leib,

So wenig fast, als nur ein Weib.

Und wenn der Zins in diesem Jahr

Hin gen Irland gesendet war,

Und kam das fünfte Jahr heran,

So mußten die zwei Lande dann

Zur Zeit der Sonnenwenden

Gen Rom die Boten senden,

Die den Römern behagten,

Auf daß die ihnen sagten,

Welch Gebot und welchen Rath

Der hochgewaltige Senat

Erbieten ließe und sende

Einem jeden Gelände,

Das unterthan den Römern war:

Denn man las ihnen jedes Jahr

Und that ihnen kund genug und satt,

Wie daß sie sollten der Römerstadt

Lois und Landrecht hegen

Und ihres Gerichtes pflegen,

Und mußten auch recht also leben,

Wie ihnen Lehre ward gegeben.

Dies Zinsrecht sammt dem Pfande

Ließen die beiden Lande

Alle fünf Jahre schauen

Rom, ihre werthe Frauen.

Doch boten sie ihr diese Ehr

Und dieses Zinsrecht nicht so sehr

Von Rechtes, noch von Gottes wegen,

Als weil sie Gurmunen unterlegen.


Wir sollen wieder zur Märe kommen.

Tristan, der hatte wohl vernommen

Von Englands Schmach und Kornwalls Leid,

Und war ihm auch vor dieser Zeit

Schon lange kund, mit welcher Pflicht

Derselbe Zins war aufgericht.

Nun aber alle Tage

Hört er des Landvolks Klage;

Wohin er seine Richte nahm,

Vor Städte oder Castele kam,

War all das Land des Leides voll;

Und als er aber gen Tintayol

Und zu dem Hofgesinde kam,

Seht, da hörte er und vernahm

In Gassen und in Straßen

Ein Jammern aus der Maßen,

Daß es ihm stark zu Herzen drang.

Alsbald sich zu dem König schwang

Und an den Hof die Märe,

Daß Tristan kommen wäre;[68]

Deß waren sie Alle zusammen froh:

Froh, das meine ich aber so,

Wie es sein konnte in ihrem Stand;

Denn die Besten, die man erfand

Im ganzen Lande Kornewall,

Waren in diesen Tagen all

Daher gen Hof gekommen

Zur Schmach, als ihr vernommen.

Die Edeln und die Großen,

Die gingen da zu loosen

Ihren Kindern zu Falle.

So fand sie Tristan Alle

Kniend im Gebete,

Und Jeder rief und flehte,

Den Jammer nicht verschließend,

Die Augen von Thränen fließend,

Mit inniglichen Schmerzen

Am Leib und auch im Herzen,

Daß ihm Gott der milde

Beschirme und beschilde

Seinen Adel und auch sein Kind.


Nun sie Alle im Beten sind,

Kommt Tristan hergegangen.

Wie ward er aber empfangen?

Das ist euch bald geoffenbart:

In Treu und Wahrheit, Tristan ward

Unter all dem Gesinde

Von keinem Mutterkinde,

Auch nicht von Marke, mit Grüßen

Empfangen also süßen,

Wie ihm doch wäre geschehen

Ohne die Noth und Wehen.

Doch nahm das Tristan wenig wahr,

Er ging zur Stunde kecklich dar,

Wo man das Loos für sie erlas

Und Marke mit Morolden saß.

»Ihr Herren,« sprach er, »allzuhand,

Alle mit Einem Namen genannt,

Die hie zum Loose laufen,

Ihre edlen Kinder verkaufen,

Schämet ihr euch der Schande nicht,

Die diesem Lande durch euch geschicht?

So mannhaft, als ihr allezeit

Alle und allerdinge seid,

So wäre es billig angewandt,

Daß ihr so euch als euer Land

An Achtbarkeit und Ehren

Solltet erhöhen und mehren.

Aber die Freiheit habet ihr

Hingelegt euren Feinden hier

Zu Füßen und zu Handen

Mit zinsbaren Schanden;

Und eure edlen Kindelein,

Die eure Wonne sollten sein,

Eure Lust und euer Leben,

Die gebt ihr und habt sie geben

Zu Schälken und zu eigen:

Und könnet doch nicht zeigen,

Welche Macht euch zwinge dazu,

Oder welch andere Noth es thu,

Denn ein Zweikampf und ein einzler Mann.

Ficht doch kein andre Noth euch an,

Und könnet unter euch allen

Auch nicht auf Einen fallen,

Der wollte wider Einen Degen

Sein Leben auf die Wage legen,

Ob er nun bleibe oder siege.

Nun sei es auch, daß er erliege,

So kann doch wahrlich der kurze Tod

Und diese lange lebende Noth

Im Himmel und auf Erden

Nicht gleich gewogen werden.

Geschieht es aber, daß er siegt

Und daß das Unrecht so erliegt,

So hat er fort und immer fort

Hie Ehre und Gottes Lohn alldort.

Ja, ein Vater soll für sein Kind,

Da sie Ein Leben zusammen sind,

Sein Leben geben: das will Gott.

Es ist gar wider Gott ein Spott,

Wer seiner Kinder Freiheit rafft

Und stürzt sie in Leibeigenschaft,

Daß er sie hin zu Schälken gebe

Und er dafür in Freiheit lebe.

Soll ich euch Rath zu eurem Leben

Gott und der Ehre gebührlich geben,

So rathe ich euch wahrlich an,

Daß ihr euch küret einen Mann,

So man solch einen finde

Bei diesem Landgesinde,

Der zu Kampfe geschaffen sei[69]

Und wolle das Glück versuchen frei,

Ob er siege oder falle;

Und Diesen bittet Alle

Um Gotteswillen allermeist,

Wobei ihm möge der heilige Geist

So Glück als Ehre geben,

Daß der nicht solle beben

Vor Morolds Größe und Uebermacht,

Sondern vertraun auf Gottes Wacht,

Denn er verließ noch keinen Mann,

Der auf gerechte Dinge sann.

Gehet zu Rath und schnelle

Berathet euch zur Stelle,

Wie ihr diese Schande von euch kehrt

Und gegen Einen Mann euch wehrt,

Und verunehret nimmermehr

Eure Geburt und eure Ehr.«


»Ach, Herre,« sprachen sie insgemein,

»Mit diesem Manne kann's nicht sein;

Nein, Keiner kann vor Dem bestehn.« –

Tristan sprach: »Laßt die Rede gehn!

Um Gott, besinnet euch doch noch!

Nun seid ihr von Geburt ja doch

Aller Könige würdig

Und Kaisern ebenbürtig,

Und wollet eure edlen Kind,

Die euch gleich edel geboren sind,

Verhandeln und versachen,

Zu Eigenschälken machen!

Wofern ihr aber keinen Mann

Erherzigen könnt und treiben an,

Daß er betrachte euer Leid

Und dieses Landes Traurigkeit

Und kühnlich nach dem Rechte

In Gottes Namen fechte

Gegen diesen Einen,

Und wollt ihr's also meinen,

Daß ihr es stellet auf Gott und mich,

Wahrlich, ihr Herren, alsdann will ich

Meine Jugend und mein Leben

Ans Abenteuer geben

Und euretwegen den Kampf bestehn.

Gott lasse ihn euch zu gut ergehn

Und bringe euch wieder zu Rechte!

Und wenn mir's im Gefechte

Am Glücke irgendwie gebricht,

Das schadet eurem Rechte nicht.

Bleibe ich in dem Kampfe todt,

So ist ja eurer Keines Noth

Nicht ab, noch an gekehret,

Gemindert, noch gemehret,

So steht es immer noch ganz wie eh.

Sei's aber, daß es zu Heil ergeh,

So kommt es fürwahr von Gottes Kür,

Da danket Keinem denn Gott dafür:

Denn, den ich soll bestehn allein,

Der ist, so hör ich insgemein,

Von Muth und auch von Leibeskraft

Zu Kampf und ernstlicher Ritterschaft

Ein lange her bewährter Mann;

Ich aber fange allerstmals an

Und bin von Muth und Kräften

Zu ritterlichen Geschäften

Nicht also kürbar und also gut,

Wie es uns Noth zur Stunde thut.

Doch da mir im Gefechte

An Gott und auch am Rechte

Zween sieghafte Gehülfen stehn,

So sollen sie mit zum Kampfe gehn.

Dazu hab ich noch willigen Muth,

Und der ist auch zum Kampfe gut:

Helfen mir nun dieselben Drei,

Wie unversucht ich sonsten sei,

Doch habe ich guten Trost daran,

Ich genese wohl von dem Einen Mann.«


»Herre,« sprach all die Ritterschaft,

»Im Himmel die heilige Gotteskraft,

Die alle Welt geschaffen hat,

Vergelte Euch den Trost und Rath

Und den glückseligen Hoffnungswahn,

Den Ihr uns Allen habt aufgethan.

Herre, nun laßt Euch alles sagen:

Unser Rath hat nie viel angeschlagen.

Wär uns das Glück gewesen hold,

So viel wir's haben versucht und gewollt,

So oft als es begonnen ward,

Wir hätten's nicht bis daher gespart.

Wir haben nicht Einmal und weiter nie,

Wir in dem Lande Kornwall hie,

Um unsre Noth uns Raths befragt,[70]

Wir haben gesprochen und getagt,

Und konnten dennoch bei allem Weh

Keinen erfinden, der nicht eh

Sein Kind in Knechtschaft wollte geben,

Als verlieren sein eigen Leben

Im Kampfe mit diesem Teufelsmann.« –

»Wie redet ihr also?« sprach Tristan;

»Es sind der Dinge doch viel geschehn

Und hat man Wunder schon gesehn,

Wie ungerechte Hoffahrt kam

Durch kleine Kraft zu Schmach und Scham:

Das möchte auch jetzt noch wohl ergehn,

Wenn Einer es wagte zu bestehn.«


Nun, Morold, der hörte alles an,

Und verdroß ihn gewaltig, daß Tristan

So hitzig sprach zum Kampfe da,

Nachdem er doch so jung aussah,

Und trug ihm in dem Herzen Haß.

Tristan sprach aber da fürbaß:

»Ihr Herren alle, redet nun,

Was ist euch lieb, daß ich soll thun?« –

»Herre,« sprachen sie allgemein,

»Könnte es irgend also sein,

Daß der Wahn, den Ihr uns gemacht,

Möchte werden zuweggebracht,

Das wäre unser Aller Begehr.« –

»Ist euch das lieb?« sprach aber er:

»Nun daß es bis auf diese Frist

Und daß es mir vorbehalten ist,

Und will's Gott fügen an diesem Tag,

So will ich sehen, was ich vermag,

Ob Gott euch habe Glück und Heil

Etwa vergönnt an meinem Theil,

Und ob ich selber habe Glück.«


Da wollte ihn Marke ziehn zurück

Mit allen Kräften und Sinnen,

Und meint's ihm abzugewinnen,

Daß er's seintwillen ließe,

Wenn er's ihn lassen hieße.

Nein, er, weiß Gott, blieb auf dem Rath:

Wie er gebot und wie er bat,

Konnt er ihn nicht so viel bewegen,

Daß er abließe seinetwegen.

Er ging dahin, da Morold saß,

Und redete aber da fürbaß:

»Herre,« sprach er, »saget mir,

So Gott Euch helfe, was werbet Ihr?« –

»Freund,« sprach der Ire zur selben Stund,

»Was fraget Ihr? Euch ist doch kund,

Was ich hie werbe und begehr.« –


»Ihr Herren alle, höret her,

Der König, mein Herr, und seine Mann!«

Sprach aber der weisliche Tristan:

»Mein Herr Morold, Ihr redet wahr,

Ich weiß und kenne es ganz und gar:

Wie schmählich es uns entehre,

Es ist doch eine Märe,

Die Niemand unterdrücken mag:

Wir haben den Zins nun manchen Tag

Von hinnen und von Engelland

Gen Irland ohne Recht gesandt;

Und solches brachte man lange

Mit großem Zwang und Drange,

Mit viel Gewalt zuhanden,

Nachdem man fällte den Landen

Beides Burgen und Städte,

Und auch den Leuten thäte

So großen und manchen Schaden,

Bis sie wurden überladen

Mit Gewalt und bösem Rechte,

So daß die guten Knechte,

Die noch entgangen waren dem Streit,

Mußten unterthänig bleiben seit

In allem, was man ihnen gebot,

Weil sie sich fürchteten vor dem Tod,

Und mochten so, wie es war bewandt,

Zeither nicht bessern ihren Stand.

Und ward das Unrecht solcher Art,

Wie dieser Tag noch offenbart,

An ihnen immer begangen seit:

Und wäre es zwar schon lange Zeit,

Daß sie der großen Schmach und Pein

Mit Kriege konnten zuwider sein;

Denn sie sind sehr vorangekommen,

Die Lande haben zugenommen

An Heimischen und an Gästen,

An Städten und an Festen,

Am Gut und an den Ehren.

Man muß es widerkehren,[71]

Was uns verkehrt war bis daher;

Denn nur von Gewalt und Gegenwehr

Geneset unser Wesen:

Sollen wir je genesen,

So müssen wir's mit der Klingen

Erstreiten und erzwingen.

Wir stehen uns an Leuten wohl:

Die Lande sind beide von Leuten voll.

Man muß es uns alles wieder geben,

Was man uns unser ganzes Leben

Mit Gewalt hat hinweggenommen.

Wir müssen selber zu ihnen kommen,

So schier uns Gott vergönnt den Tag:

So man mir hierin folgen mag

Und meines Rathes pflegen,

Müssen sie uns darwägen

Wieder alles, was man ihnen gab,

Bis auf den letzten Ring herab,

Ob es nun viel oder wenig sei

Da möcht unser Messing noch dabei

Zu rothem Golde werden.

Es sind viel auf der Erden

Seltsamer Dinge schon geschehn,

Der man sich nimmer hat versehn.

Und dieser Herren edle Kind,

Die da zu Schälken worden sind,

Die möchten noch wohl werden frei,

Wie ungedacht es ihnen sei.

Gott walte, daß er mir's gewähr,

In dessen Namen ich's begehr,

Daß ich mit dieser meiner Hand

Die Heerfahne im Irenland

Mit diesen Landgenossen

Möge also aufstoßen,

Daß das Land und die Erde

Durch mich erniedrigt werde!«


Morold sprach aber: »Herr Tristan,

Nähmet Ihr Euch minder an

Dieses Dings und dieser Märe,

Ich wähne, es Euch gut wäre;

Denn was Ihr hie redet und was Ihr sprecht,

Wir lassen doch nicht von unsrem Recht

Und behalten, was unser ist und war.« –

Damit trat er vor Marken dar:

»König Marke,« sprach er, »sprechet hie,

Laßt hören Ihr und alle Die,

Die jetzt gegenwärtig sind,

Mit mir zu reden um ihre Kind,

Bescheidet mich der Märe baß:

Ist euer Aller Wille das,

Und steht auch euer Muth daran,

Weß euer Vogt da, Herr Tristan,

Mit Worten mich beschieden hat?« –

»Ja, Herre, es ist unser Aller Rath,

Unser Wille und unser Muth,

Was er redet und was er thut.« –

Sprach aber Morold: »So brechet ihr

Gurmunen, meinem Herrn, und mir

Eure Treue und euren Eid

Und den Vertrag und die Sicherheit,

Die zwischen uns ist aufgethan.«


Sprach aber der höfische Tristan:

»Nein, Herre, Ihr misseredet hier;

Es lautet übel, wenn man, wie Ihr,

Dem Mann gegen seine Treue spricht.

Von diesen allen Keiner bricht

Seine Treue noch seinen Eid.

Ein Gelübde und eine Sicherheit

War weiland unter euch gemacht

Und soll auch bleiben in ganzer Macht:

Daß man gen Irland alle Jahr

Sende mit gutem Willen dar

Von Kornewall und von Engelland

Den Zins, der ihnen ward benannt,

Oder aber setze man sich zur Wehr

Mit Zweikampf oder mit vollem Heer.

Sind sie zu solchem noch bereit

Und lösen den Vertrag und Eid

Mit Zins oder mit Gefechte,

So thun sie nach allem Rechte.

Herre, hierauf nun denket Ihr:

Berathet Euch und saget mir,

Welches Euch lieber sei gethan,

Welches von beiden Ihr nehmet an,

Den Zweikampf oder den Heeresstreit.

Deß seid Ihr nun und allezeit

Von uns gewiß und auch gewährt.

Es müssen doch nun Speer und Schwert

Unter uns und Euch entscheiden:

Nun kieset unter den beiden[72]

Eines und gebt uns bald Bericht.

Mit dem Zinse geht's nun anders nicht.«


Morold sprach aber: »Herr Tristan,

Mit dieser Wahl ist's bald gethan,

Ich weiß wohl, was ich von beiden will.

Mein ist hie nun nicht also viel,

Daß ich zu Heeresstreite

Irgend gerüstet reite.

Ich fuhr vom Lande über Meer

Mit einer Dienerschaar daher

Und kam in allem Frieden

In diese Reiche hienieden,

Wie auch ehmals von mir geschehn,

Nicht wähnend, es sollte also gehn.

Ich versah mich solcher Geschicht

Zu diesen Landesherren nicht:

Ich hoffte zu gehn von hinnen

Mit Rechte und auch mit Minnen.

Nun aber bringt Ihr mir Krieg und Streit:

Dazu bin ich noch unbereit.«


Tristan sprach: »Herre, wenn Euer Sinn

Sich neigt zu einem Landstreit hin,

So kehret zurücke vorderhand,

Fahrt wieder heim in Euer Land,

Besendet Eure Ritterschaft,

Versammelt alle Eure Kraft

Und kommt dann wieder und laßt uns sehn,

Wie und was uns solle geschehn;

Und wenn ich Euch nicht gewahre

In diesem halben Jahre,

Da mögt Ihr Euch zu uns versehn,

Da werden wir sicher in Irland stehn.

Es ist doch ein Wort, das von jeher galt:

Gewalt gehöre wider Gewalt,

Kraft müsse sich regen wider Kraft.

Wenn man mit Streit und Ritterschaft

Kann Land und Recht mißhandeln,

Herren zu Schälken wandeln,

Und wenn's noch Billigkeit geben soll,

So getrauen wir uns zu Gotte wohl,

Daß unsre Schmach und Beschwerde

Euch wieder vergolten werde.«


»Gott weiß,« sprach Morold, »Herr Tristan,

Ich höre da Dinge, daß ein Mann,

Der nie zu solchem Lärmen kam

Und solches Drohen noch nie vernahm,

Ob dieser neuen Märe

In Sorgen und Aengsten wäre:

Doch trau ich ihrer zu genesen.

Ich bin auch mehr dabei gewesen,

Wo Lärm und Hoffahrt mancher Art

Mit solcher Rede getrieben ward.

Es ist noch wohl der Glaube mein,

Gurmun mög ohne Sorge sein

Um seine Leute und sein Land

Vor Eurer Fahne und Eurer Hand.

Auch wird diese Uebermüthigkeit,

Man breche uns denn Treu und Eid,

In Irland nimmer übersehn.

Wir wollen es allhie, wir Zween,

Mit Handen unter uns Beiden

In einem Ring entscheiden,

Ob Ihr Recht habet oder ich.«


Tristan sprach aber: »Dies muß ich

Mit Gottes Hülfe verrichten,

Und möge ich Den vernichten,

Der Unrecht unter uns Beiden thut.« –

Da zog er aus mit gutem Muth

Den Handschuh, bot ihn Morolden dar:

»Ihr Herren,« sprach er, »nehmet wahr,

Der König mein Herr, und alle Die,

So hier sind, sollen hören, wie

Ich diesen Kampf bespreche,

Daß ich das Recht nicht breche:

Daß weder mein Herr Morold zur Statt,

Noch, der ihn hergesendet hat,

Noch irgend je ein andrer Mann

Den Zins mit Gewalt zu Recht gewann

In Kornwall, noch in Engelland,

Das will ich hie mit meiner Hand

Vor Gott und Welt erklären,

Wahr machen und bewähren

An diesem Herren, der hier ist,

Von dem uns bis zu dieser Frist

Alle Beschwerde, Schmach und Scham

Für diese beiden Lande kam.«


Da rief zur selben Stunde

Mit Herzen und mit Munde

Manch edle Zunge zu Gotte hin,[73]

Daß Gott nach seinem gerechten Sinn

Bedächte ihr Aller Schmach und Leid

Und löste sie aus Leibeigenheit.

Doch wie auch ihre Schwere

Groß war ob dieser Märe,

So ging's Morolden wenig ein

Zum Herzen oder zum Gebein;

Er wußte von keinem Schrecke.

Der vielversuchte Recke,

Der legte den Span nicht nieder:

Er bot auch ihm hinwieder

Den Handschuh dar, des Kampfes Pfand,

Mit harter Gebärde in seine Hand,

Mit fierer Contenanze.

Ihm däuchte diese Schanze

Gar wohl nach seinem Sinn zu sein,

Und hoffte dabei wohl zu gedeihn.


Nun abgemacht dies alles war,

Da ward der Kampf dem Herrenpaar

Bis auf den dritten Tag gespart.

Nun daß der dritte Tag da ward,

Da kamen die Landesherren all,

Dazu des Volks ein großer Schwall,

Daß das Gestade bei dem Meer

Umfangen war mit starkem Heer.

Da waffnete sich Morold zur Stund,

Mit deß Gewaffen ich jetzund,

Noch auch mit seiner Stärke und Macht

Meines Herzens Merke und Acht,

Meines Sinnes scharfes Sehen

Mit nahe merkendem Spähen

Nicht stumpfen will, noch beschweren,

Nachdem man zu höchsten Ehren

Von seiner gänzlichen Mannheit sprach;

Die Rede von ihm ist mannigfach,

So daß er an Muth, an Größe, an Kraft

Zu ganz vollkommener Ritterschaft

Das Lob in allen Landen trug.

Nun sei des Lobes von ihm genug.

Ich weiß wohl, daß er konnte dort

Und sonst an jedem andern Ort

In Kampf und in Gefechte

Nach ritterlichem Rechte

Seinen Leib wohl zieren auf dem Plan.

Er hatte es eh so viel gethan.


Dem guten König Marke,

Dem war die Noth eine starke,

Dem ging der Kampf an seinen Leib

Mit Herzeleid, daß auch kein Weib

So zagete um einen Mann.

Ihn kam da gar kein Trost mehr an,

Er sah nichts als Tristandes Tod

Und hätte gerne jene Noth

Mit Zins und Zinsrecht mögen leiden,

Wofern der Kampf nur wär zu meiden.

Nun aber ist's doch noch nach Verlangen

Mit diesem und mit dem gegangen,

So mit dem Zins als mit dem Mann.

Der unerfahrene Tristan

In solch nothhaften Dingen

Begann auch sich mit Ringen

Wider alle Gefahren

Aufs beste zu verwahren.

Seinen Leib und seine Bein

Hüllte er wohl zusammen ein;

Darüber legte er, schön und fremd,

Zwo Hosen und ein Panzerhemd,

Die waren licht und waren weiß,

Nachdem der Meister seinen Fleiß,

Seine Weisheit und Verstand

Gänzlich hatte an sie gewandt.

Zween edle Sporen, starke,

Die legte ihm sein Freund Marke,

Zu seinem Dienst der getreue Mann,

Traurig mit weinendem Herzen an.

Die Waffenriemen er ihm band

Alle mit seiner eignen Hand.

Ein Waffenrock ward dargetragen,

Der war, so wie ich hörte sagen,

Mit Drihen in den Spelten,

An Gewirke reich und selten

An allen seinen Enden,

Von künstlichen Frauenhänden

Zu Preis und Wunder ausgedacht

Und noch viel preislicher vollbracht.


Hei, da er diesen an sich nahm,

Wie lustig und wie lobesam

Er ihn verstand zu tragen,

Davon wär viel zu sagen,

Nur daß ich's nicht lang machen will.[74]

Der Rede würde allzuviel,

Wenn ich's berichten wollte

Von Grund aus, wie ich sollte;

Doch dessen geb ich euch Bescheid:

Der Mann stand besser seinem Kleid,

Das viel mehr Lob von ihm gewann

Und Ehre, denn vom Kleid der Mann:

Wie gut, wie auserlesen

Der Waffenrock gewesen,

Er war doch seiner Würdigkeit,

Der ihn da machte zu seinem Kleid,

Viel kaum geziemend und ebenwerth.

Darüber so gürtet ihm Marke ein Schwert,

Das sein Herz und sein Leben war,

Durch das er zu allermeist der Gefahr

Damals und seither oft entging,

Das also recht darniederhing

Und lag in seiner Straße

In so gefügem Maße,

Daß es nicht auf noch nieder ging,

Vielmehr in rechter Richte hing.

Ein Helm ward auch besendet dar,

Der wie ein Krystall zu schauen war

So lauter und so feste,

Der schönste und der beste,

Den je ein Ritter auf sich nahm;

Ich wähne, daß kein beßrer kam

Gen Kornwall je seit oder vor.

Darüber stand der Pfeil empor,

Der da weissaget Minne

Und auch seither darinne

Gar wohl an ihm bewähret ward,

So lange es blieb auch aufgespart.

Den setzt ihm aufs Haupt der König da:

»Ach Neffe, daß ich dich jemals sah,«

Sprach er, »Gott will ich es klagen

Und allem widersagen,

Was sich ein Mann zu Freuden kehrt,

Wenn mir an dir Leid widerfährt.« –

Ein Schild ward gleichfalls darbesandt,

An welchen eine gefüge Hand

Gewendet hatte all ihren Fleiß;

Derselbe war ganz silberweiß,

Um überein zu klingen

Mit Helm und Panzerringen.

Er war aber poliret,

Mit Licht und Glanz gezieret,

Recht wie ein neues Spiegelglas;

Und auf dem Schild ein Eber saß,

Gemacht gar meisterlich und wohl

Von Zobel, schwarz wie eine Kohl.

Den legte ihm sein Oheim an.

Der stund dem kaiserlichen Mann

Und lag ihm an der Seiten

Da und zu allen Zeiten,

Als ob er angeleimet wär.


Der da geschaffen zu Lob und Ehr,

Der genehme, jugendliche Mann,

Da der den Schild an sich gewann,

Da leuchteten die vier Dinge:

Der Helm und die Panzerringe,

Der Schild und die Hosen, einander an

So schön, als hätte der Waffenmann,

Der Meister, sie also geordnet ganz,

Daß jegliches mit seinem Glanz

Dem andern schön bekäme

Und Schönheit von ihm nähme;

So konnte ihr vierfacher Schein

Einhelliger nicht noch lichter sein.

Und aber das neue Wunderbild,

Das unter Panzer, Helm und Schild

Zu Schaden und zu Sorgen

Den Feinden war verborgen,

Hatte das aber keine Kraft

Gegen der seltenen Meisterschaft,

Die außen daran gebildet lag?

Ich weiß, nicht wahrer ist der Tag,

Wie groß der äußere Bildner schien,

Der innere, der war gegen ihn

Mit größerer Meisterschaft bedacht

Und ward durch ihn noch mehr vollbracht

An Ritters Schöne und Stärke,

Denn durch die äußern Werke.

Das Werk, das war darinnen

Nach Schaffen und Ersinnen

Gethan mit lobenswerther Hand.

Des Meisters Weisheit und Verstand,

Hei, wie die gaben vollen Schein!

Seine Brust und so Arm als Bein,

Die waren herrlich und waren reich,

Wohlgestaltet und rittergleich.[75]

Ihm stund das Eisen drauf und drob

Wohl und zu wunderbarem Lob.

Sein Roß, das hielt ein Knappe da:

In Spanienland, noch fern, noch nah,

Ward nie kein schöneres gezogen,

War nirgends knapp, noch eingebogen,

War offen und frei im Nacken,

An Brust und Hinterbacken,

Stark an beiden Lenden,

Erwünscht an allen Enden.

Seine Füße und seine Bein,

Die kamen auch ganz überein

In ihrer Gestalt und ihrem Recht:

Die Beine waren grad und schlecht,

Die Füße rund, und alle vier

Aufrecht, als wär's ein wildes Thier.

Auch war es anzusehn mit Lust

Vom Sattel hin und vor der Brust:

Da hielt es sich also recht und wohl,

Wie ein Roß aufs allerbeste soll.

Drauf eine weiße Decke lag,

So licht und lauter wie der Tag,

Den andern Werken in Farbe gleich,

Und war die lang und also reich,

Daß sie von oben niederhing,

Dem Roß bis über die Kniee ging.


Nun Tristan zum Gefechte

Nach ritterlichem Rechte,

Nach allem Brauch in Kampf und Streit

Wohl und zu Preise war bereit,

Wer beide, Mann und Eisen,

Wohl konnte prüfen und preisen,

Der sah, und Alle sahen's an,

Daß beide, das Eisen und der Mann,

Ein schöner Bild ergaben nie.

Wie wohl dies aber erschien allhie,

Dennoch erschien es gar viel baß,

So wie er auf dem Rosse saß

Und seinen Speer zu Handen nahm:

Da war das Bild erst wonnesam,

Da war der Ritter an Zierde reich

Ueber und unter dem Sattel gleich.

Die Arme hatten Weite,

Die Schultern gute Breite;

In den Sattel konnte er wohl,

Wie man im Sattel schweben soll,

Sich setzen und sich fügen.

Neben des Rosses Bügen

Schwebten die schönen Beine her,

So strack und schlecht als wie ein Speer.

Da stund das Roß, da stund der Mann

So recht wohl eins dem andern an,

Als ob sie, nicht zu scheiden,

Mit einander wären, die Beiden,

Gewachsen und geboren.

Die Gestalt war auserkoren

Und fremd zu allen Zeiten,

Die Tristan hatte im Reiten.

Und doch, wie auserlesen

Er von Gestalt gewesen,

So war doch innerhalb der Muth

So rein geartet und so gut,

Daß edlerer Muth und reinere Art

Vom Helme nie bedecket ward.


Nun war den Kämpfern beiden

Ein Ort zum Kampf bescheiden,

Eine kleine Insel in dem Meer,

So nah dem Ufer und dem Heer,

Daß man wohl in der Nähe sah,

Was auf der Insel dort geschah.

Und war auch der Befehl geschehn,

Daß Niemand ohne diese Zween

Dar auf die Insel käme,

Bis der Kampf ein Ende nähme;

Das nahmen auch Alle wohl in Acht.

Und also wurden dargebracht

Zwei Schifflein, waren eng und klein,

Daß jegliches mochte genügend sein,

Daß es ein Roß und einen Mann

Gewaffnet trüge meerhinan.

Nun, diese Schiffe, die hielten dort.

Morold fuhr in dem einen fort:

Das Ruder nahm er an die Hand,

Schiffete jenseits an das Land,

Und als er auf den Werder kam,

Sein Schifflein er zur Stunde nahm,

An das Gestade band er das,

Auf sein Roß er balde saß,

An seine Hand nahm er den Speer,

All über den Werder hin und her[76]

Begann er zu puniren,

Prächtig zu laisiren,

Und waren seine Puneiße

In dem ernstlichen Kreise

So spielend und so ringe,

Als ob es zu Schimpf erginge.


Nun Tristan auch zu Schiffe kam,

Sein Ding darein er zu ihm nahm,

Beide sein Roß und seinen Speer;

Vorn in dem Schiffe da stund er:

»König«, begann er, »Herre Mark,

Nun sorget mir nicht allzu stark

Um meinen Leib und mein Leben:

Wir müssen es Gott ergeben.

Unsere Angst, die nützt hier klein.

Noch mag es uns besser beschieden sein,

Als man es uns hat zugedacht.

Unser Sieg und Glück und unsre Macht,

Die steht auf keiner Ritterschaft

Denn auf der Einen Gotteskraft.

Laßt alle Furcht und Aengste sein:

Ich mag ja noch gar wohl gedeihn.

Mir ist zu diesem Dinge

Mein Muth gar leicht und ringe.

So thut auch Ihr und gehabt Euch wohl:

Es geht doch nicht anders, als es soll;

Und aber, wie mein Ding stehe

Und wie es zu Ende gehe,

So befehlet Ihr doch heute

Euer Land und Eure Leute

Dem, auf dem meine Sachen stehn:

Gott selbst, der mit mir möge gehn

Zu Ring und zu Gefechte,

Der bringe Recht zu Rechte.

Ja, Gott muß mit mir siegen

Oder sieglos mit erliegen.

Der möge walten und wägen.«


Er bot ihm seinen Segen,

Sein Schifflein stieß er ab von Ort

Und fuhr in Gottes Namen fort.

Da ward sein Leib und auch sein Leben

Von manchem Munde Gott ergeben,

Ihm ward von mancher edlen Hand

Manch süßer Segen nachgesandt.

Und als er ans Gestade stieß,

Sein Schifflein er hinschweben ließ

Und setzte sich auf sein Roß zur Stund.

Gleich war auch Morold auf dem Grund:

»Sag an«, sprach er, »was soll mir das?

Aus welchem Anschlag und um was

Hast du das Schiff so lassen gehn?« –

»Das ist darum von mir geschehn:

Hie ist ein Schiff und sind zween Mann,

Und ist auch da kein Zweifel dran,

Wofern nicht Beide bleiben hie,

Daß traun doch ihrer Einer nie

Von diesem Werder wiederkehrt:

So hat doch, der von dannen fährt,

An diesem Einen Schiffe gnug,

Das dich daher zum Werder trug.« –

Morold sprach aber: »Ich höre wohl,

Daß dies unwendig verbleiben soll,

Und muß der Streit denn für sich gehn.

Gedächtest du davon abzustehn,

Und schieden wir mit Minnen

Auf solchen Vertrag von hinnen,

Daß mir von beiden Landen

Mein Zinsrecht bliebe zuhanden,

Das däuchte mir dein Glück zu sein;

Denn wahrlich, mir thut's im Herzen mein

Gar leid, daß ich dich schlagen soll;

Mir gefiel kein Ritter noch so wohl,

Den ich mit Augen jemals sah.«


Sprach der gemuthe Tristan da:

»Der Zins muß ab sein und vorbei,

Willt du, daß Sühne besprochen sei.« –

»In Treuen«, sprach der Kühne,

»So wird nichts aus der Sühne,

So kommen wir nicht zu Minnen:

Der Zins muß mit mir von hinnen.« –

»So fangen wir aber«, sprach Tristan,

»Gar sehr unnütze Teiding an.

Morold, seit daß du mein Gebein

Zu schlagen so gewiß willt sein,

So wehr dich, willt du genesen:

Hier gilt kein andres Wesen.« –

Das Roß warf er im Bogen

Und kam dahergeflogen

Aus einer Wendung grade

Auf pfeilgeradem Pfade[77]

Nach seines Herzens Begehre

Und mit gesenktem Speere;

Mit fliegenden Schenkeln kam er her,

Zu beiden Seiten das Roß nahm er

Mit Knöcheln und mit Sporen.

Hat Morold Zeit verloren?

Dem ging es um das Leben nun:

Der that recht, wie sie Alle thun,

Die zu rechter Mannhaftigkeit

Mit allen Sinnen sind bereit.

Er nahm auch eine Kehre

Nach seines Herzens Begehre

Wohl bald hin und bald wieder.

Sein Speer flog auf und nieder.

So kam er im Flug dahergerührt

Wie Einer, den der Teufel führt.

Beide das Roß und auch der Mann

Kamen Tristanden fliegend an

Wohl schneller, als ein Falke thut:

So begehrte seiner auch Tristans Muth.

Sie kamen mit gleichem Muth und Begehr

Und kamen im gleichen Fluge her,

Daß sie die Speere zerstachen,

Daß die an den Schilden brachen

Wohl zu tausend Stücken.

Da ging es an ein Zücken

Der Schwerter von den Seiten.

Zu Rosse war dies Streiten:

Gott selber mochte es gerne sehn.


Nun höre ich's allwärts so verstehn,

Und heißt's auch in der Märe,

Als ob's ein Zweikampf wäre,

Und Alle hören oder lesen,

Hier seien nur zween Mann gewesen.

Ich weise euch aber zu dieser Zeit,

Daß es vielmehr ein offener Streit

Von zweien ganzen Rotten was;

Obgleich ich solches niemals las

In der Märe von Tristanden,

Bewähre ich's doch zuhanden.

Morold, wie uns die Wahrheit doch

Gesagt hat stets und heute noch,

Der hatte für vier Männer Kraft:

Dies war vierfache Ritterschaft.

Das war die Streitkraft einerseit.

Auf der andern Seite stand so der Streit:

Das Eine war Gott, das Zweite Recht,

Das Dritte war ihr Beider Knecht

Und ihr bewährter Lehensmann,

Der wohlgemuthe Held Tristan:

Das Vierte, das war williger Muth,

Der Wunder in den Nöthen thut.

Auf dieser Seite, auf jener vier:

Aus diesen bilde ich dort und hier

Zwo ganze Rotten, das sind acht Mann,

So übel, als ich doch bilden kann.


Sonst hättet ihr wohl die Märe

Gehalten für eine schwere,

Daß auf zwein Rossen zwo Schaaren

Zum Schlagen möchten fahren:

Nun habt ihr für wahr vernommen,

Daß hie zu Hauf gekommen

Unter Einem Helme jedwederseit

Vier Ritter oder Vierritterstreit.

Die ritten von jeder Seite

Stark auf einander zum Streite.

Also kam eine Ritterschaft,

Morold mit seiner Viermannskraft

Tristanden wie ein Donner an.

Derselbe leidige Teufelsmann,

Der schlug so kräftiglich auf ihn zu,

Daß er ihm Sinn und Kraft im Nu

Mit seinen Schlägen hätte benommen,

Wär ihm der Schild nicht zu gut gekommen,

Worunter er sich mit Listen

Konnte schirmen und fristen.

Nicht Helm, noch Halsberg war sein Glück,

Und auch kein anderes Waffenstück

Hätte ihm irgend Schutz getragen:

Er hätte ihn durch die Ringe erschlagen;

Er wollte ihm nicht so viel Athem gönnen,

Daß er vor Schlägen aufsehn können.


So ging er ihn mit Schlägen an,

Bis er's mit Schlägen von ihm gewann,

Daß Tristan ob der Schläge Noth

Den Schild zu ferne von sich bot

Und allzuhoch die Schirmung trug,

Bis er ihm durch die Hüfte schlug

Und einen häßlichen Schlag da schwang,

Der ihm hart an das Leben drang,[78]

Daß ihm das Fleisch und Gebeine da

Durch Panzerhosen und Halsberg sah,

Und daß das Blut aufblitzte

Und über den Werder spritzte.

»Wie nun?« sprach Morold, »willt du gestehn?

Hieran magst du wohl selber sehn,

Daß Niemand Unrecht führen soll;

Nun erweist sich dein Unrecht wohl.

Nun denk noch drauf, willt du gedeihn,

In welcher Weise es möge sein;

Denn wahrlich, Tristan, diese Noth,

Die führt dich letztlich in den Tod,

Wofern ich es nicht wende;

Durch Weibs noch Mannes Hände

Wird dein Leib nimmermehr gesund;

Du bist von einem Schwerte wund,

Das tödtlich und gelüppet ist.

Nicht Arzt, noch Arztes Kunst und List

Errettet dich aus dieser Noth,

Nur meine Schwester kann's, Isot,

Die Königin von Irenland:

Die kennet viel und mancherhand

Wurzeln und aller Kräuter Kraft,

Dazu auch ärztliche Meisterschaft;

Die kennt das Gift, die weiß die Kunst,

Der Andern Rath ist Wind und Dunst.

Ohne die hast du kein Gedeihn.

Willt du mir nun gehorsam sein

Und zugestehn den Zins forthin,

Meine Schwester, die Königin,

Sie selber muß dich heilen,

Und ich will mit dir theilen

Geselliglich, was ich habe,

Und weigern keine Gabe,

Die du begehrst mit Herz und Mund.«


Da sprach Tristan: »Zu keiner Stund

Geb ich mein Recht und meine Ehr

Um dich, noch deine Schwester her.

In meiner freien Hand hab ich

Zwei freie Lande gebracht vor dich:

Die fahren mit mir von hinnen,

Oder ich muß gewinnen

Noch größern Schaden, ja gar den Tod.

Auch bin ich noch nicht zu solcher Noth

Getrieben mit diesem Einen Schlag,

Daß ich nichts andres erwählen mag.

Der Kampf ist für uns Beide

Noch lange nicht am Entscheide.

Der Zins ist dein Tod oder der mein:

Da kann kein anderer Ausweg sein.«


Hiermit schoß er ihn wieder an.

Nun redet aber vielleicht ein Mann

(Ich selber muß die Rede thun):

Gott und Recht, wo sind sie nun,

Tristandes Streitgesellen?

Daß sie ihm nicht Hilfe stellen,

Das will mich Wunder nehmen.

Gut wär es, wenn sie kämen:

Ihre Rotte und Genossenschaft,

Die ist worden sehr schadehaft;

Und kommen sie nicht alsogleich,

So kommen sie zu spät zum Streich;

Darum so mögen sie kommen schier!

Hie reiten Zweene gegen Vier

Und streiten ums bloße Leben.

Das ist gar hingegeben

An Zweifel und Gefährden.

Sollen sie erlöset werden,

So muß es in kurzer Stunde sein.

Gott und Recht, nun reiten sie ein

Mit richtigem Urtheile,

Ihrer Rotte zum Heile,

Ihren Feinden zum Falle.

Nun begannen sich alle

Gleichmäßig zu rottiren,

Die Viere gegen den Vieren,

Und rückten aus, Schaar wider Schaar.

Und Tristan, da er ward gewahr

Der guten Kampfgesellen,

Begann sein Muth zu schwellen:

Ihm brachte seine Genossenschaft

So frisches Herze wie neue Kraft.

Das Roß er mit den Sporen nahm

Und also hergesauset kam,

Daß er nach ganzer Herzenslust

Stoßend mit seines Rosses Brust

So hart an den Gegner prellte,

Daß er ihn zur Erden fällte

Zusammt dem Roß mit Schalle;

Und als er von dem Falle[79]

Ein wenig zu sich gekommen war

Und wieder wollte zum Rosse dar,

Da war auch Tristan munter

Und schlug ihm den Helm herunter,

Daß er hinflog all über den Plan.

Hiemit so lief ihn Morold an:

Durch die Covertüre er schlug

Tristandes Rosse ab den Bug,

Daß es unter ihm darnieder saß;

Er that nicht übler und that nicht baß,

Sondern sprang jenseits weiter.

Morold, der gewitzte Streiter,

Den Schild zum Rücken kehrte,

Wie ihn sein Witz es lehrte;

Er griff mit der Hand darnieder,

Den Helm, den nahm er wieder;

Er dachte in seiner Weislichkeit

Und machte sich dazu bereit,

So er wieder zu Rosse käme,

Daß er den Helm aufnähme

Und ritte aber Tristanden an.

Nun er den Helm zu sich gewann

Und eilte zu dem Rosse dar

Und diesem schon so nahe war,

Daß er griff nach dem Zügel

Und auch bereits im Bügel

Mit seinem linken Fuße stand

Und faßte den Sattel mit der Hand,

Da hatte ihn Tristan auch erflogen

Und traf ihm auf dem Sattelbogen

Das Schwert zusammt der rechten Hand,

Daß beide flogen in den Sand

Mit Ring zumal und Schnalle:

Und unter diesem Falle

Gab er ihm aber einen Schlag

Da, wo des Helmes Kuppe lag;

Der fuhr so mächtig nieder,

Daß er die Waffe wieder

Mit einer Scharte zog zurück

Und von dem Schwert ein Splitterstück

In seines Feindes Schädel blieb,

Das auch seither Tristanden trieb

In Sorgen und in große Noth:

Es brachte ihm nahezu den Tod.

Da Morold, das trostlose Heer,

So ohne Kraft, so ohne Wehr

Taumelnd hin und wieder ging

Und schon sein Leib zum Falle hing:

»Wie nun, wie nun?« sprach da Tristan,

»So Gott dir helfe, Morold, sag an,

Ist dir nun diese Märe kund?

Mich dünket, du seiest schmerzlich wund;

Ich wähne, daß dein Ding übel steh.

Wie's auch mit meiner Wunde geh,

Dir thäten gute Wurzeln Noth:

Was deine Schwester, Frau Isot,

Von Arzeneien hat gelesen,

Deß wird dir Noth, willt du genesen.

Gott, der wahre, gerechte,

Und sein Gebot, das echte,

Die haben dein Unrecht wohl bedacht

Und Recht an mir zu Recht gebracht.

Der möge mein auch fürbaß pflegen!

Diese Hoffahrt, die ist erlegen.«


Da trat er gegen ihn fürbaß,

Das Schwert nahm er und faßte das

In seine beiden Hände

Und schlug dem Feind zum Ende

Das Haupt zusammt der Kuppen ab.

Darauf er sich zur Bucht begab,

Wo er Moroldens Schifflein fund;

Da saß er ein und fuhr zur Stund

Nach dem Gestade und zu dem Heer;

Allda vernahm er an dem Meer

Große Freude und Klage,

Beide, wie ich euch sage:

Deß Glück an seinem Siege lag,

Dem Heer war ein glückseliger Tag

Und große Freude erstanden dort;

Sie klatschten mit Händen fort und fort,

Lobten Gott mit dem Munde

Und sangen zu der Stunde

Gen Himmel Siegeslieder.

Dem fremden Volk hinwieder,

Den leiden Gästen vom Irenland,

Die da waren auf den Zins gesandt,

Hatte es sehr zu Leide getagt:

Von diesen ward so viel geklagt,

Als die von Kornwall sangen.

Sie wanden und sie rangen

Den Jammer zwischen den Händen gar.[80]

Die jammernde heimathlose Schaar,

Die klagenden Irlandsmannen,

Dieweil sie wollten von dannen

Zu Schiffe gehn mit Leid und Schmach,

Da eilete Tristan ihnen nach

Und trat sie am Gestade an:

»Kehrt hin, ihr Herren,« sprach Tristan,

»Empfahet jenes Zinsrecht dort

Auf dem Werder und bringt es fort

Und richtet eurem Herrn zu Haus

Von meinem Ohm dem König aus

Und von Kornwall und Engelland,

Daß sie ihm senden den Prisant

Und entbieten ihm auch dabei:

Wofern es je sein Wille sei

Und er gedenke und begehr

Seine Boten wieder her

Nach solchem Zins zu senden,

Wahrlich, mit leeren Händen

Sollen sie uns nicht kehren,

Vielmehr mit gleichen Ehren

Senden wir sie von hinnen,

Wie schwer wir's auch gewinnen«. –

Während er aber sprach und stand,

Deckte er mit dem Schildesrand

Weislich so Blut als Wunde,

Daß Keiner empfing die Kunde.

Das gerieth ihm auch hernach zum Glück,

Denn Jene kehrten so zurück,

Daß ihrer Keiner es inne ward:

Sie machten sich alsbald auf die Fahrt

Und fuhren nach dem Werder fort

Und fanden statt ihres Herren dort

Einen zerstückten Mannen;

Den führten sie auch von dannen.


Nun sie zu Lande kamen,

Alsbald sie zu Handen nahmen

Den Zins und kläglichen Prisant,

Der da durch sie ward dargesandt.

Die Stücke meine ich alle drei:

Daß ihrer keins verloren sei,

Legten sie die auf Einen Hauf,

Trugen sie ihrem Herrn hinauf

Und thäten ihm kund und offenbar

Alles, was ihm entboten war.

Ich wähne und versehe mich wohl,

Deß ich mich wohl versehen soll:

Dem König Gurmun Wohlgemuth

Dem war es gar nicht wohl zu Muth,

Und stand ihm auch das Leid wohl an;

Er hatte an diesem Einen Mann

Verloren Herz, Sinn, Trost und Kraft

Und manches Mannes Ritterschaft.

Die Scheibe, die seine Ehre trug

Und die Morold so freisam schlug

In den Nachbarlanden allen,

Die war in Staub gefallen.


Seiner Schwester, der Königin,

Ging aber sein Tod noch mehr zu Sinn

Mit Jammer und mit Klagenoth:

Sie und ihre Tochter Isot,

Die quälten so und so den Leib,

Wie ihr wohl wisset, daß ein Weib

Sich quält mit herben Schmerzen,

Geht ihr ein Leid zu Herzen.

Sie sahen diesen todten Mann

Nur um des Jammers willen an,

Daß ihre Herzensschwere

All desto größer wäre.

Das Haupt sie küßten und die Hand,

Die ihnen vordem Leut und Land

In ihre Macht und Herrschaft gab,

Wie ich euch schon berichtet hab;

Darauf sie des Hauptes Wunden

Besahen und befunden

Mit Jammer ringsum und genau.

Da ersah die nahesehende Frau,

Der Iren weise Königin,

Den Splitter in dem Schädel drin.

Ein Zänglein ließ sie holen, klein,

Womit sie alsbald griff hinein

Und jenes Stück vom Schwert gewann.

Sie und die Tochter sahen's an

Mit Jammer und mit Leide

Und nahmen es da Beide

Und legten es in einen Schrein,

Und brachte dasselbe Splitterlein

Tristanden seit in große Noth.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 67-81.
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