|
[404] 1
O Knecht Ruprecht, Gott erbarm!
Kindern schneide Faxen.
Deiner Feder, deinem Arm
Bin ich längst entwachsen.
2
Belle, belle nur zu! so sehr du, Köter, auch bellest,
Kriegst du den Mond nicht herab, kommst du zu ihm nicht hinauf.
3
Willst du, furchtbares Tier, gewaltigen Schlags mich vernichten
Mit dem bewaffneten Huf? Bin doch nicht krank und nicht alt!
4
Als Frost und Unheil heimgesucht
Des Starken mächtig Heer,
Da plünderten ihm das Gepäck
Kosak und Marodeur.
5
Daß du, Freund, nicht schreiben kannst,
Wissen wir gesamt;
Aber lesen lerne doch,
Das gehört zum Amt.
6
Des Weisen Rede, sagt ein Spruch,
Schläft in des Narren Ohr.
O wär ich erst ein Weiser ganz,
So wie du ganz ein Tor.
[404]
7
Dein Ahn hing um des Löwen Fell,
Da wurde Schrecken laut,
Du aber hängst als Esel um
Die zweite Eselshaut.
8
Was du verschuldet gegen mich,
Erlaß ich dir zur Hand,
Nicht gut ist es, dein Gläubger sein,
Hör ich vom Kaufmannsstand.
9
Du eines Menschen Parodie,
Du schreibst – es sind Pasquille,
Sei immer, was Natur dich zwingt,
Nur sei es in der Stille.
10
Was juckst du, Laus, auf meiner Haut?
Was machst du, Floh, dich dicke?
Gib acht, krümm ich den Finger erst,
Wie schnell ich dich zerknicke.
11
Du nennst mich klein? Ich glaub es wohl,
Das Auge täuscht oft widrig.
Die Optik macht das alles klar,
Mein Freund, du stehst zu niedrig!
12
Auch dumm hat mich dein Spruch genannt.
Fast füg ich mich darnach,
Denn was die Dummheit anbelangt,
Da bist du, Freund, vom Fach.
13
Nicht fordr ich, daß du gut mir heißt,
Was du so eifrig schmähst,
Nur daß dus zu dem vielen reihst,
Wovon du nichts verstehst.
[405]
14
Wälz immer dich in Schlamm und Kot,
Und spritze, spritz nur zu!
Wer weiß? du liebst mich endlich noch,
Bin ich beschmutzt wie du.
15
Und all die jungen Ferkel,
Sie stinken gleich dem Schwein.
Ein Gaudium sondergleichen,
So en famille zu sein.
16
Macht Poesie dich gar so wild,
Wars immer so der Brauch.
Sie ist nicht bloß ein Spiegelbild,
Sie ist ein Spiegel auch.
17
Und nun genug, du leichter Kampf,
Zu ungleich beide Teile;
Der Gegner schwingt den Knüttel plump,
Und mir sind goldne Pfeile.
Buchempfehlung
Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro