|
[414] 1
Du zählst dich zur Literatur?
Gar viel, was für dich spricht:
Die Nacht gehört ja auch zum Tag,
Wenngleich zum Hellen nicht.
2
Schon einst Voltär war auf der Spur
Der Frerons und Saphire.
Er meint: un sot trouve toujours
Un plus sot qui l'admire.
3
Das heißt: ein Dummkopf, da wie jetzt,
Fand einen größern stets, der ihn bewundert.
Und wollt ihrs durch ein Sprichwort übersetzt,
So sagt getrost: Ein Narr macht hundert.
4
Gleich und gleich gesellt sich gern,
Wer du bist, zeigt dein Begleiter,
Aus dem Knecht kennt man den Herrn,
Aus der Fahne ihre Streiter.
Was du billigst, ob nur fern,
Ist nach Tagen oder Wochen
Dein als ob dus selbst gesprochen.
[414]
5
Meint ihr, man könne kosten vom Gemeinen?
Man muß es hassen, oder ihm sich einen.
6
Und tränkst du heute Götterwein
Sonst ein Genosse schmutzger Zecher –
Du schenkst ihn auf die Hefen ein,
Die dir dein Gestern ließ im Becher.
7
Willst ihn ganz beglücken du,
Den du so mit Gunst begnädigt,
Sei der Ort zum Rendezvous,
»Wo der Wolf den Gänsen predigt.«
8
Ein Schneider kann sich schicken
In jeglich Element,
Seis Dichter, Rezensent:
Als Dichter kann er flicken,
Der Kritik Schere trennt.
9
Von Not gelangt zu Schaden
Ist an dir Jahr um Jahr,
Wie sonst kein guter Faden,
So nun kein gutes Haar.
10
Im Prater sah ich schon dich, wie mir deucht,
Als jenes Zaubrers scheckigen Begleiter,
Der, wenn der Pöbel karg den Pfennig reicht,
Mit schnellem Hintern abrutscht von der Leiter.
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro