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[733] Eucharis. Melitta. Sklavinnen mit Blumen und Kränzen.
EUCHARIS lärmend.
Ihr Mädchen auf! Mehr Blumen bringt herbei!
Zu ganzen Haufen Blumen. Schmückt das Haus
Und Hof und Halle, Säule, Tür und Schwelle,
Ja, selbst die Blumenbeete schmückt mit Blumen!
Tut Würze zum Gewürz; denn heute feiert
Das Fest der Liebe die Gebieterin.
MÄDCHEN ihre Blumen vorweisend.
Hier sieh!
Sie fangen an, die Säulen und Bäume umher mit Kränzen und Blumenketten zu behängen.
EUCHARIS.
Recht gut, recht gut! Doch du, Melitta,
Wo hast du, Mädchen, deine Blumen?
MELITTA ihre leeren Hände betrachtend.
Ich? –
EUCHARIS.
Ja du! – Ei seht mir doch die Träumerin!
Kommst du allein hierher mit leeren Händen?
MELITTA.
Ich will wohl holen –
EUCHARIS.
Ich will holen, spricht sie
Und regt sich nicht vom Platz, und will und holt nichts.
Du kleine Heuchlerin, bekenne nur,
Was hast du denn? Was war das heut bei Tisch,
Daß die Gebieterin so oft nach dir
Mit leisem Lächeln schlau hinüberblickte[733]
Und dann die Augen spottend niederschlug?
Sooft sies tat, sah ich dich heiß erröten,
Und mit dem Zittern peinlicher Verwirrung
Des oftversehnen Dienstes dich vergessen.
Und als sie nun dich ruft, den großen Becher
Dem schönen Fremden zu kredenzen und
Du scheu den Rand durch deine Lippen ziehst,
Da rief sie plötzlich aus: Die Augen nieder!
Und ach, des großen Bechers halber Inhalt
Ergoß mit eins sich auf den blanken Estrich.
Da lachte Sappho selbst! Was war das alles?
Bekenne nur, da hilft kein Leugnen, Mädchen.
MELITTA.
O laßt mich!
EUCHARIS.
Nichts da, ohne Gnade, Kind!
Den Kopf empor, und alles frisch bekannt!
O weh, da quillt wohl gar ein kleines Tränchen! –
Du arges Ding! Ich sage ja nichts mehr!
Doch weine nicht! Wenn dus so öfters treibst,
So werd ich noch so böse – Weine nicht! –
Sind eure Blumen alle? Nun so kommt,
Hier sind noch Rosen, hilf uns Kränze winden.
Sei fleißig, Kind! Doch hörst du? Weine nicht!
Mit den Mädchen ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Sappho
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