Zweiter Aufzug

[836] Halle wie am Ende des vorigen Aufzuges.

Es ist Tag.

Gora, Peritta, Jungfrauen.


GORA.

Ich sage dir, sprich lieber Medeen nicht.

Ob der Ereignung zürnt sie der heutigen Nacht

Und sie spricht sich nicht gut, wenn sie zürnt; das weißt du!

Auch gebot sie dir, ihr Antlitz zu fliehn.

PERITTA.

Was soll ich tun? Wer hilft, wenn sie nicht?

Gefangen der Gatte, die Hütte verbrannt.

Alles geraubt von den fremden Männern.

Wem klag ich mein Leid, wer rettet, wenn sie nicht?

GORA.

Tu, wie du willst, ich hab dich gewarnt,

Auch ists recht und billig nur, daß sie dich hört,

Aber der Mensch tut nicht immer, was recht.

PERITTA.

Ach, ich Unselige!

GORA.

Klage nicht! Was hilfts?

Überleg und handle, das tut dir not!

Doch wo weilt Medea? komm in ihr Gemach.


Eine Jungfrau stürzt atemlos herein.


JUNGFRAU.

O Übermaß des Unglücks!

GORA an der Türe umkehrend.

Wohl nur der Torheit, will ich hoffen!

Was Neues gibt's?

JUNGFRAU.

Der Fürstin Lieblingspferd. –

GORA.

Das herrliche Tigerroß –

JUNGFRAU.

Es ist entflohn!

GORA.

So?

JUNGFRAU.

In der Verwirrung der heutigen Nacht,

Da die Pforte offen, wir alle voll Angst,

Entkam es dem Stall und ward nimmer gesehn!

Weh mir!

GORA.

Ja wohl.

JUNGFRAU.

Wie entflieh ich der Fürstin Zorn?

Wird sies ertragen – ?

GORA.

Das wie ist ihre Sache,

Doch tragen muß sies, da es ist.[836]

Nur rat ich dir, geh fürs erste ihr aus dem Auge!

Doch horch! Sie naht schon! Peritta tritt zu mir.


Medea kommt in Gedanken versunken aus der Türe rechts.


GORA nach einer Pause.

Medea –

JUNGFRAU ihr zuvorkommend und zu Medeens Füßen stürzend.

O Königin, verzeih!

MEDEA den Kopf emporhebend.

Was ist?

JUNGFRAU.

Vernichte mich nicht in deinem Zorn!

Dein Leibroß – Dein Liebling! – Es ist entflohn.


Pause, während welcher sie Medeen voll Erwartung ins Gesicht sieht.


Nicht meine Schuld wars fürwahr. Der Schrecken heut nacht,

Das Getümmel, der Lärm- Da geschahs –

– Du sprichst nicht? – Zürne, Fürstin –

MEDEA.

Es ist gut!


Jungfrau steht auf.


GORA sie beiseite ziehend.

Was sprach sie?

JUNGFRAU freudig.

Es sei gut.

GORA.

Das ist nicht gut!

Trägt sie so leicht, was sie sonst schwer ertrug,

Das begünstigt unsre Sache, Peritta!

Fast ist mirs unlieb, daß sie so mild gestimmt,

Ich hatte mich drauf gefreut, wie sie sich sträuben würde

Und endlich überwinden müßte, zu tun was sie soll.

Nu komm denn, komm, für dich ists besser so.

Medea, hier ist noch jemand, den du kennst!

MEDEA.

Wer?

GORA.

Kennst deine Gespielin, Peritta, nicht?

Zürnst du ihr gleich

MEDEA.

Peritta, bist dus?

Sei mir gegrüßt, sei herzlich mir gegrüßt!


Sie mit dem Arm umschlingend und sich auf sie stützend.


Wir haben frohe Tage zusammen gelebt.

Seit dem ist viel Übles geschehn,

Viel Übles seit der Zeit, Peritta!

Hast du deine Herde verlassen und dein Haus

Und kommst wieder zu mir, Peritta?[837]

Sei mir willkommen, du bist sanft und gut,

Du sollst mir die Nächste sein im Kreis meiner Frauen!

PERITTA.

Kein Haus hab ich mehr und keine Herde,

Alles verloren, mein Gatte gefangen,

Dahin meine Ruhe, mein Segen, mein Glück.

MEDEA.

So ist er dahin, ist tot!

Du dauerst mich, armes, armes Kind!

War so jung, so kräftig, so glänzend, so schön,

Und ist tot und kalt! Du dauerst mich,

Ich könnte weinen, so rührst du mich.


Legt ihre Stirne auf Perittas Schulter.


PERITTA.

Nicht tot, nur gefangen ist mein Gatte,

Drum kam ich zu flehn, daß du bittest den Vater,

Ihn zu lösen, zu retten, zu befrein –

Medea, hörst du? –


Zu Gora.


Sie spricht nicht! Was sinnt sie?

GORA.

Mich überrascht sie nicht minder als dich,

Das ist sonst nicht Medeens Sitte.

PERITTA.

Was ist das? Trau ich meinen Sinnen?

Feucht fühl ich dein Antlitz auf meiner Schulter!

Medea, Tränen? – O du Milde, du Gute!


Küßt Medeens herabhängende Hand.

Medea reißt sich empor, faßt rasch mit der rechten Hand die geküßte Linke und sieht Peritten starr ins Gesicht. Dann entfernt sie sich rasch von ihr, sie immer starr betrachtend und nähert sich der Amme.


MEDEA.

Gora!

GORA.

Frau?

MEDEA.

Heiß sie gehn!

GORA.

So willst du –

MEDEA.

Heiß sie gehn!


Gora winkt Peritten mit der Hand Entfernung zu Peritta hält flehend ihr die Hände entgegen Gora

winkt ihr beruhigend zu, sich zu entfernen Peritta, von zwei Mädchen geführt, ab.


MEDEA unterdessen.

Ah! – es ist heiß hier. – Schwüle Luft.


Reißt gewaltsam den Gürtel entzwei und wirft ihn weg.


GORA.

Sie ist fort![838]

MEDEA zusammenfahrend.

Fort?

GORA.

Peritta ist fort.

MEDEA.

Gora!

GORA.

Gebieterin!

MEDEA halblaut, sie beiseite führend.

Warst du zugegen heut nacht?

GORA.

Wo?


Medea sieht ihr fremd ins Gesicht.


GORA.

Ah hier? Freilich!

MEDEA mit freudeglänzenden Blicken.

Ich sage dir, es war ein Gott!

GORA.

Ein Gott?

MEDEA.

Ich habe lange darüber nachgedacht,

Nachgedacht und geträumt die lange Nacht,

Aber 's war ein Himmlischer, des bin ich gewiß.

Als er mit einemmal dastand, zürnenden Muts,

Hochaufleuchtend, einen Blitz in der Hand

Und zwei andre im flammenden Blick,

Da fühlt ichs am Sinken des Muts, an meiner Vernichtung,

Daß ihn kein sterbliches Weib gebar.

GORA.

Wie? so –

MEDEA.

Du hast mir wohl selbst erzählet,

Oft, daß Menschen, die nah dem Sterben,

Heimdar sich zeige, der furchtbare Gott,

Der die Toten führt in die schaurige Tiefe.

Sieh, der war es, glaub ich, o Gora!

Heimdar war es, der Todesgott.

Bezeichnet hat er sein dunkles Opfer,

Bezeichnet mich mit dem ladenden Kuß,

Und Medea wird sterben, hinuntergehn

Zu den Schatten der schweigenden Tiefe.

Glaub mir, ich fühle das, gute Gora,

An diesem Bangen, an diesem Verwelken der Sinne,

An dieser Grabessehnsucht fühl ich es,

Daß mir nicht fern das Ende der Tage!

GORA.

Wer hat deinen Sinn so sehr umwölkt,

Daß du trüb schaust, was klar und deutlich?[839]

Ein Mensch wars, ein Übermütger, ein Frecher,

Der hier eindrang.

MEDEA zurückfahrend.

Ha!

GORA.

Der, die Nacht benützend –

MEDEA.

Schweig!

GORA.

Deine Angst –

MEDEA.

Verruchte, schweig.

GORA.

Schweigen kann ich, wenn dus gebietest,

Einst mein Pflegling, jetzt meine Frau.

Aber drum ists nicht anders, als ich sagte.

MEDEA.

Sieh, wie du albern bist und töricht!

Wie käm ein Fremder in diese Mauern?

Wie hätt ein Sterblicher sich erfrecht,

Zu drängen sich vor Medeas Antlitz,

Sie zu sprechen, ihr zu drohn, mit seinen Lippen –

Geh, Unselige, geh,

Daß ich dich nicht töte,

Nicht räche deine Torheit

An deinem Leben.

Ein Sterblicher? Scham und Schmach!

Entferne dich, Verräterin!

Geh! sonst trifft dich mein Zorn.

GORA.

Ich rede, was ist, und nicht, was du willst.

Gehn soll ich? ich gehe.

MEDEA.

Gora, bleib!

Hast du kein freundlichs Wort, du Gute?

Fühlst du denn nicht, so ists, so muß es sein,

Heimdar war es, der stille Gott,

Und nun kein Wort mehr, kein Wort, o Gora!


Wirft sich ihr an den Hals und verschließt mit ihrem Munde Goras Lippen nach einer Pause.


MEDEA.

Horch!

GORA.

Tritte nahen!

MEDEA.

Man kommt! Fort!

GORA.

Bleib! Dein Bruder ists und dein Vater! Sieh!


Aietes und Absyrtus stürzen herein.


AIETES.

Entkommen ist er, des trägst du die Schuld!


Zu Medeen.
[840]

Warum hemmtest den Streich des Bruders,

Da er ihn töten wollte, den Frevler?

ABSYRTUS.

Vater, scheltet sie nicht darum,

War doch angstvoll und bang ihre Seele!

Denkt! ein Fremder, allein, bei Nacht,

Eingedrungen in ihre Kammer;

Sollte sie da nicht zagen, Vater?

Und nicht weiß die Furcht, was sie tut.

Doch der Grieche –

MEDEA.

Grieche?

AIETES.

Wer sonst?

Einer der Fremden wars, der Hellenen,

Die gekommen an Kolchis Küste,

Argonauten, auf Argo, dem Schiff,

Zu verwüsten unsere Täler

Und zu rauben unser Gut.

MEDEA Goras Hand fassend.

Gora!

GORA.

Siehst du? es ist so, wie ich sagte.

ABSYRTUS.

Übermütig sind sie und stark,

Ja, bei Peronto! Stark und kühn!

Setzt ich nicht nach ihm, ich und die Meinen,

Hart ihn drängend, nach auf den Fersen?

Aber er führte in Kreisen sein Schwert,

Keiner von uns kam ihm nah zu Leibe.

Jetzt zum Strom gekommen, warf er

Raschen Sprungs sich hinein.

Dumpf ertönte die Gegend dem Sturze,

Hoch auf spritzten die schäumenden Wasser,

Und er verschwand in umhüllende Nacht.

AIETES.

Ist er entkommen dieses Mal,

Fürder soll es ihm nicht gelingen!

Die kühnen Fremdlinge, stolz und trotzig,

Haben Zweisprach begehrt mit mir.

Zugesagt hab ichs, den Groll verbergend,

Den tödlichen Haß in der tiefen Brust,

Aber gelingt mir, was ich sinne,

Und bist du mir gewärtig mit deiner Kunst,[841]

So soll sie der frevelnde Mut gereuen,

So endet der Streit noch eh er begann.

Auf, Medea, komm! Mach dich fertig,

Gut zu machen, was du gefehlet

Und zu rächen die eigene Schmach,

Deine Sache ists nun geworden,

Haben sie doch an dir auch gefrevelt,

Gefrevelt durch jenes Kühnen Tat,

Denn wahr ists doch, was Absyrtus mir sagte,

Daß ers gewagt mit entehrendem Kuß –

MEDEA.

Vater, schweig, ich bitte dich –

AIETES.

Ists wahr?

MEDEA.

Frage mich nicht, was wahr, was nicht!

Laß dirs sagen die Röte meiner Wangen,

Laß dirs sagen – Was soll ich? Gebeut!

Willst du vernichten die Schar der Frevler?

Sage nur wie, ich bin bereit!

AIETES.

So recht, Medea, so mag ichs gern,

So erkenn ich in dir mein Kind,

Zeig, daß dir fremd war des Frechen Erkühnen,

Laß sie nicht glauben, du habest gewußt,

Selber gewußt um die frevelnde Tat!

MEDEA.

Gewußt? Wer glaubt das, Vater, und von wem?

AIETES.

Wer. Ders sah, ders hörte, Kind!

Wer Zeuge war, wie Aietes fürstliche Tochter

Den Kuß duldete von des Frevlers Lippen.

MEDEA.

Vater!

AIETES.

Was ist?

MEDEA.

Du tötest mich!

AIETES.

Ich glaubs nicht, Medea!

MEDEA.

Wirklich nicht?

Laß uns gehn!

AIETES.

Wohin?

MEDEA.

Wohin du willst,

Zu vernichten, zu töten, zu sterben!

AIETES.

Du versprichst mir also?

MEDEA.

Ich hab es gesagt!

Aber laß uns gehn![842]

AIETES.

Hör erst –

MEDEA.

Nicht hier!

Hohnzulachen scheint mir des Gottes Bild,

Des Gewölbes Steine formen sich mir

Zu lachenden Mäulern und grinsenden Larven.

Hinweg von dem Orte meiner Schmach!

Nimmer betret ich ihn. Vater, komm!

Was du willst, wie du willst, doch fort von hier!

AIETES.

So höre!

MEDEA.

Fort!

AIETES.

Medea!

MEDEA.

Fort!


Eilt ab.


AIETES.

Medea!


Mit Absyrtus ihr nach Freier Platz mit Bäumen. Links im Hintergrunde des Königs Zelt Acht Abgeordnete der Argonauten treten auf, von einem kolchischem Hauptmanne geleitet.


HAUPTMANN.

Hier sollt ihr weilen, ist des Königs Befehl,

Bald naht er selbst.

1. ARGONAUT.

Befehl? Nichtswürdiger Barbar,

Für dich mags sein, doch uns Befehl?

Wir harren deines Königs, weil wir wollen,

Doch eil er sich, sonst suchen wir ihn auf!

2. ARGONAUT.

Laß ihn! Die Knechtesrede ziemt dem Knecht!


Kolcher ab.


3. ARGONAUT.

So sind wir hier, erreicht des Strebens Ziel!

Nach mancher Fährlichkeit zu Land und See

Umfängt uns Kolchis düstre Märchenwelt,

Von der man spricht, soweit die Sonne leuchtet.

Was keinem möglich deuchte, ist geschehn;

Durchsegelt ist ein unbekanntes Meer,

Das zürnend Untergang dem ersten Schiffer drohte,

Zu neuen Völkern und zu neuen Ländern

Tat sich der Weg und, was oft schwerer noch,

Tat auch der Rückweg sich uns günstig auf:

Wir sind in Kolchis, unsrer Reise Ziel.

So weit hat gnädig uns ein Gott geführt;[843]

Doch jetzo, fürcht ich, wendet er sich ab!

Wir stehn in Feindes Land, von Tod umgeben,

Fremd, ohne Rat und Führer – Jason fehlt.

Er, der zum Zug geworben, ihn geführt,

Er, dessen eigne Sache wir verfechten,

Mit Milo hat er sich vom Heer entfernt,

Heut nacht entfernt und ward nicht mehr gesehn.

Ob er im Wald verirrt, verlassen schmachtet,

Ob er ins Netz gefallen der Barbaren,

Ob ihn aus Hinterhalt der Tod ereilt,

Ich weiß es nicht, doch jedes steht zu fürchten.

So aufgelöst, vereinzelt, ohne Band,

Ist jeder nun sein eigner Rat und Führer.

Drum frag ich euch, die Ersten unsrer Schar:

Was ist zu tun?


Alle schweigen mit gesenkten Häuptern.


Ihr schweigt. Jetzt gilts Entschluß!

Geladen von dem König dieses Landes

Zur Zweisprach, zum Versuch der Gütlichkeit,

Schiens uns gefährlich, ob des Führers Abgang

Den Aufruf abzulehnen, der geschehn,

Und zu enthüllen unsre Not und Schwäche;

Wir gingen, wir sind hier! – Was nun zu tun?

Wer Rat weiß, spreche nun!

2. ARGONAUT.

Du bist der Ältste,

Sprich du!

3. ARGONAUT.

Der Ältste ist der Erste nicht,

Wos Kraft gilt und Entschluß. Fragt einen andern!

1. ARGONAUT.

Laßt uns die Schwerter nehmen in die Hand,

Den König töten und sein treulos Volk,

Dann fort, doch erst die Beut ins Schiff gebracht!

3. ARGONAUT.

Nicht auch das Land, und heimgebracht zur Schau?

Dein Rat ist unreif, Freund, wie deine Jahre. –

Gebt andern!

2. ARGONAUT.

Rate du, wir folgen dir!

3. ARGONAUT.

Mein Rat ist Rückkehr!

Murrt ihr? Nun wohlan,

Sprech einer Besseres, ich stimme bei![844]

Ihr schweigt gesamt, und niemand tritt hervor.

So hört, und stört nicht oder überzeugt mich!

Nicht eignes Streben hat uns hergeführt.

Was kümmert Kolchis uns mit seinen Wundern?

Dem Mut, dem Glücke Jasons folgten wir,

Den Arm ihm leihend zum gebotnen Werk,

Er tat des Oheims Willen, wir den seinen.

Wer ist, der treten mag an Jasons Stelle,

Hat ihn der Tod, wie möglich, hingerafft?

Wem liegt daran, das Wundervließ zu rauben,

Das Tod umringt und dräuende Gefahr?

Habt ihr gehört? im Schlund der Höhle liegts,

Bewacht von eines Drachen giftgen Zähnen,

Vom Graun verteidigt schwarzer Zauberei,

Beschützt von allem, was verrucht und greulich;

Wer wagts von euch, wer hebt den goldnen Schatz?

Wie, keiner? Nun, so woll auch keiner scheinen,

Was keiner Kraft und Willen hat zu sein.

Hier leg ich von mir Schild und Speer

Und geh zum König als ein Mann des Friedens.

Drei Tage gönn er uns zu harren Zeit,

Und kehrt dann Jason nicht, so ziehn wir heim.

Wer mit mir gleichdenkt, tue so wie ich.

Ein Held ist, wer das Leben Großem opfert,

Wers für ein Nichts vergeudet, ist ein Tor!


Die meisten stoßen ihre Speere in den Boden.


Nun kommt zu Kolchis König. Gerne tauscht er

Die eigne Sicherheit wohl aus für unsre!

1. ARGONAUT.

Halt noch. Dort nahn zwei Griechen! Milo ists,

Der fort mit Jason ging und – schreiend Jason selber!

Jason!

MEHRERE.

Jason!

ALLE tumultuarisch.

Jason!

MILO hinter der Szene.

Hier, Gefährten! Hier Jason, Argonauten!

1. ARGONAUT zum dritten.

Was sagst du nun?

3. ARGONAUT.

Daß Jason da ist, sag ich, Freund, wie du.[845]

Statt meines Rates gibt er euch die Tat.

Nur da er fort war, hatt ich eine Meinung!


Milo tritt auf, Jason an der Hand führend.


MILO.

Hier habt ihr ihn! Hier ist er ganz und gar!

Nun seht euch satt an ihm und schreit und jubelt!


Die Argonauten drängen sich um Jason, fassen seine Hände und drücken ihre Freude aus.


VERMISCHTE STIMMEN.

Willkommen – Jason! – Freund! – Willkommen, Bruder!

JASON.

Habt ihr um mich gebangt? Hier bin ich wieder!


Indem er den Andrängenden die Hände reicht.


MILO den Nächststehenden umarmend.

Freund, siehst du, er ist da? Gesund und rüstig!

Und 's ging ihm nah ans Leben, ei beim Himmel!

Ein Haar! und ihr saht Jason nimmermehr!

Er wagte sich, allein – ich durft nicht mit –

Um euretwillen, Freunde, wagt er sich,

Im dichten Wald, allein, in einen Turm,

Der voll Barbaren steckte bis zum Giebel.

Da hieß es fechten.

JASON.

Ja, fürwahr es galt!

Verloren war ich, wenn ein Mädchen nicht

MILO.

Ein Mädchen? Ein Barbarenmädchen?

JASON.

Ja!

MILO.

Sieh, davon sagtest du mir früher nichts!

Und war sie schön?

JASON.

So schön, so reizend, so –

Doch eine arge, böse Zauberin –

Ihr dank ich dies mein Leben!

MILO.

Wackres Mädchen!

JASON.

Ich schlug mich durch, und – doch genug, ich lebe

Und bin bei euch! – Doch was führt euch hierher?

3. ARGONAUT.

Zur Zweisprach ließ uns laden Kolchis König,

Vernehmen will er unsre Forderung

Und dann entscheiden.

JASON.

Hier?

3. ARGONAUT.

Hier ist sein Sitz![846]

JASON.

Ich will ihn sprechen. Fügt er sich in Frieden,

Gut denn! wenn nicht, dann mag das Schwert entscheiden.


Auf die seitwärts gestellten Speere zeigend.


Doch diese Waffen! – Seid ihr hier so sicher,

Daß ihr des Schutzes selber euch beraubt?


Sie nehmen beschämt die weggelegten Speere wieder auf.


Ihr schweigt und schlagt beschämt die Augen nieder?

Habt ihr? –


Zu Milo.


O sieh, sie meiden meinen Blick!

Unglückliche! es war doch nicht die Furcht –

Die Furcht, Hellenen, die den Speer euch nahm?

Es war nicht –?


Zu Milo.


Ach es wars! Die Unglückselgen,

Sie wagens nicht, der Lüge mich zu zeihn.

Was hat euch denn verblendet, arme Brüder? –

– Es war die Furcht!


Zu einem, der sprechen will.


Ich bitte dich, sprich nicht,

Ich kann mir denken, was du fühlst. Sprich nicht!

Mach nicht, daß ich mich schäme vor mir selbst!

Denn, o, nicht ohne Tränen könnt ich schauen

In ein von Scham gerötet Männerantlitz.

Ich wills vergessen, wenn ich kann.


Ein Kolcher tritt auf.


KOLCHER.

Der König naht!

JASON.

So laßt uns stark sein und entschlossen, Freunde,

Nicht ahne der Barbar, was hier geschehn!


Aietes tritt auf mit Gefolge.


AIETES.

Wer ist, der das Wort führt für die Fremden!

JASON vortretend.

Ich!

AIETES.

Beginn!

JASON.

Hochmütiger Barbar, du wagst –?

AIETES.

Was willst du?

JASON.

Achtung!

AIETES.

Achtung?[847]

JASON.

Meiner Macht,

Wenn meinem Namen nicht!

AIETES.

Wohlan, so sprich!

JASON.

Thessaliens Beherrscher Pelias.

Mein Oheim und mein Herr, schickt mich zu dir,

Mich, Jason, dieser Männer Kriegeshaupt,

Zu dir zu reden, wie ich jetzo rede!

Gekommen ist die Kunde übers Meer,

Daß Phryxus, ein Hellene, hohen Stammes,

Den Tod gefunden hier in deinem Reich!

AIETES.

Ich schlug ihn nicht.

JASON.

Warum verteidigst du dich,

Eh ich dich noch beschuldigt? Hör mich erst.

Mit Schätzen und mit Gute reich beladen

War Phryxus Schiff. Das blieb in deiner Hand,

Als er verblich geheimnisvollen Todes.

Sein Haus ist aber nahverwandt dem meinen,

Drum, in dem Namen meines Ohms und Herrn,

Fordr ich, daß du erstattest, was sein eigen,

Und was nun mein und meines Fürstenhauses.

AIETES.

Nichts weiß ich von Schätzen.

JASON.

Laß mich enden.

Das köstlichste von Phryxus Gütern aber,

Es war ein köstliches, geheimnisvolles Vließ,

Des er entkleidete in Delphis hoher Stadt

Das Bildnis eines unbekannten Gottes,

Das dort seit grauen Jahren aufgestellt,

Man sagt, von den Urvätern unsers Landes,

Die, fernher kommend, und von Oben stammend,

Das Land betraten und der Menschheit Samen

Weitbreitend in die leere Wildnis streuten,

Und Hellas Väter wurden, unsre Ahnen.

Von ihnen, sagt man, stamme jenes Zeichen,

Ein teures Pfand für Hellas Heil und Glück.

Vor allem nun dies Vließ fordr ich von dir,

Daß es ein Kleinod bleibe der Hellenen

Und nicht in trotziger Barbaren Hand[848]

Zum Siegeszeichen diene wider sie.

Sag, was beschließest du?

AIETES.

Ich habs nicht!

JASON.

Nicht?

Das goldne Vließ?

AIETES.

Ich habs nicht, sag ich dir!

JASON.

Ist dies dein letztes Wort?

AIETES.

Mein letztes.

JASON.

Wohlan!


Wendet sich zu gehn.


AIETES.

Wo willst du hin?

JASON.

Fort, zu den Meinen,

Sie zu den Waffen rufen, um zu sehen,

Ob du der Macht unnahbar wie dem Recht.

AIETES.

Ich lache deiner Drohungen!

JASON.

Wie lange?

AIETES.

Tollkühner! Mit einem Häufchen Abenteurer

Willst du trotzen dem König von Kolchis

JASON.

Ich wills versuchen!


Will gehen.


AIETES.

Halt! Du rasest, glaub ich.

Ist wirklich der Götter Huld geknüpft an jenes Zeichen,

Und ist dem Sieg und Rache, ders besitzt,

Wie kannst du hoffen zu bestehen gegen mich,

In dessen Hand –

JASON.

Ha, so besitzest dus?

AIETES.

Wenns wäre, mein ich, wie du glaubst –

JASON.

Ich weiß genug!

Schwachsinniger Barbar, und darauf stützest

Du deiner Weigrung unhaltbaren Trotz?

Du glaubst zu siegen, weil in deiner Hand

Nicht gut, nicht schlimm ist, was die Götter geben,

Und der Empfänger erst macht das Geschenk.

So wie das Brot, das uns die Erde spendet,

Den Starken stärkt, des Kranken Siechtum mehrt,

So sind der Götter hohe Gaben alle,

Dem Guten gut, dem Argen zum Verderben.

In meiner Hand führt jenes Vließ zum Siege,[849]

In deiner sicherts dir den Untergang.

Sprich selbst, wirst du es wagen zu berühren,

Besprützt, wies ist, mit deines Gastfreunds Blut –

AIETES.

Schweig!

JASON.

Sag, gibst dus heraus? – Ja oder nein!

AIETES.

So höre mich!

JASON.

Ja oder nein!

AIETES.

Du rascher!

Warum uns zanken ohne Not,

Laß uns friedlich überlegen

Und dann entscheiden, was zu geschehn!

JASON.

Du gibst es denn heraus?

AIETES.

Was? – Ei laß das!

Wir wollen uns erst kennen und verstehn.

Dem Freunde gibt man, nicht dem Fremden!

Tritt ein bei mir und ruhe von der Fahrt.

JASON.

Ich trau dir nicht!

AIETES.

Warum nicht?

Ist auch rauh meine Sprache, fürchte nichts.

Laß dirs wohl sein in meinem Lande.

Liebst du den Becher? Wir haben Tranks die Fülle.

Jagd? Wildreich sind unsre Forste.

Magst du dich freun in der Weiber Umarmung?

Kolchis hat


Näher zu ihm tretend.


Liebst du die Weiber?

JASON.

Eure Weiber? und doch

AIETES.

Liebst du die Weiber?

JASON.

Kennst einen Turm du dort im nahen Walde,

Der – doch wo bin ich! Komm zur Sache, König!

Gibst du das Vließ?

AIETES zu einem Kolcher.

Ruf Medeen und bring Wein!

JASON.

Noch einmal, gibst du mir das Vließ?

AIETES.

Sei ruhig!

Erst gezecht, dann zum Rat, so halten wir

JASON.

Ich will von deinen Gaben nichts.

AIETES.

Du sollst!

Ungespeist geht keiner aus Aietes Hause![850]

Sieh, man kommt, laß dirs gefallen, Fremdling!


Medea kömmt verschleiert, einen Becher in der Hand, mit ihr Diener, die Pokale tragen.


AIETES.

Hier trink, mein edler Gast!


Zu Medeen.


Ist er bereitet?

MEDEA.

O, frage nicht!

AIETES.

So geh und biet ihn an!

Erlabe dich, mein Gast!

JASON.

Ich trinke nicht!


Medea fährt beim Klang von Jasons Stimme zusammen. Sie blickt empor, erkennt ihn und tritt einige Schritte zurück.


AIETES zu Jason.

Warum nicht?


Zu Medeen.


Hin zu ihm. Tritt näher, sag ich!

JASON.

Was seh ich? – Diese Kleider! – Mädchen, bleib!

Dein Kleid erneuert mir ein holdes Bild,

Das ich nur erst – Gib deinen Becher mir,

Ich wags auf deine Außenseite! Gib!


Er nimmt den Becher aus ihrer Hand.


Ich leer ihn auf dein Wohl!

MEDEA.

Halt ein!

JASON.

Was ist?

MEDEA.

Du trinkst Verderben!

JASON.

Wie?

AIETES.

Medea!

JASON indem er den Becher wegwirft.

König,

Das deine Freundschaft? Rache dir, Barbar!

Doch du, wer bist du? die so sonderbar

Mit Grausamkeit vereinet Mitleids Milde?

Laß mich dich schaun!


Er reißt ihr den Schleier ab.


Sie ists! Es ist dieselbe!

AIETES.

Medea, fort!

JASON.

Medea heißest du?

So sprich, Medea, denn!

MEDEA.

Was willst du?[851]

JASON.

Wie?

So mild dein Tun und rauh dein Wort, Medea?

Nur zweimal sah ich dich, und beidemal

Verdank ich dir mein Leben. Habe Dank!

Es scheint, die Götter haben uns ersehn,

Uns Freund zu sein, nicht Feinde, o Medea!

Noch einmal diesen Blick, o, sieh nicht weg!

Schau mir ins Aug, ich mein es rein und gut.


Er faßt ihre Hand und wendet sie gegen sich.


Laß mich in deinem Blick die Kunde lesen –


Medea entreißt ihm die Hand.


JASON.

Halt ein!

MEDEA sich emporrichtend.

Verwegner, wagst dus? – Weh!


Sie begegnet seinem Blicke, fährt zusammen und entflieht.


JASON.

Medea!


Medea ab.

Er eilt ihr nach.


AIETES.

Zurück!

JASON.

Du selbst zurück, Barbar! – Medea!


Indem er ins Zelt dringen will und Aietes sich ihm abwehrend in den Weg stellt, fällt der Vorhang.


Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 836-852.
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Robert Guiskard. Fragment

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Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

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