4.
Mitternacht

[66] Schrecken/ vnd stille/ vnd dunckeles grausen/ finstere kälte bedecket das Land/

Jtzt schläfft was arbeit vnd schmertzen ermüdet/ diß sind der trawrigen einsamkeit stunden.

Nunmehr ist/ was durch die Lüffte sich reget/ nunmehr sind Thiere vnd Menschen verschwunden.

Ob zwar die jmmerdar schimmernde lichter/ der ewig schitternden Sternen entbrand![66]

Suchet ein fleißiger Sinn noch zu wachen? der durch bemühung der künstlichen hand/

Ihm die auch nach vns ankommende Seelen/ Ihm/ die an jtzt sich hier finden verbunden?

Metzet ein bluttiger Mörder die Klinge? wil er vnschuldiger Hertzen verwunden?

Sorget ein ehren-begehrende Seele/ wie zuerlangen ein höherer stand?

Sterbliche! Sterbliche! lasset diß dichten! Morgen! ach! morgen ach! muß man hin zihn!

Ach wir verschwinden gleich alß die gespenste/ die vmb die stund vnß erscheinen vnd flihn.

Wenn vnß die finstere gruben bedecket/ wird was wir wündschen vnd suchen zu nichte.

Doch wie der gläntzende Morgen eröffnet/ was weder Monde noch Fackel bescheint:

So wenn der plötzliche Tag wird anbrechen/ wird was geredet/ gewürcket/ gemeynt.

Sonder vermänteln eröffnet sich finden vor deß erschrecklichen Gottes Gerichte.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 66-67.
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