Der ander eingang.


[51] Leo. Die richter.


LEO.

Das wild ist in dem garn! Sein untreu, grimm und schuld

Brült auch in kett und band. Die güte, die gedult,[51]

Und die gepochte gnad rufft starck nach recht und rache.

Was dünckt euch zu dem fall?

1. RICHTER.

Es ist ein ernste sache

Und überlegens werth. Wenn man sein wort betracht,

Das er nicht leugnen kan, wenn man der waffen macht,

Die ihm zu dienste steht, wenn man sein vieles schmehen

Und offt vergebnen feil was näher wil besehen,

So ists nur mehr denn klahr, dass er den hals verschertzt.

Wenn man im gegentheil den großen muth behertzt,

Den unverzagten sinn, die ruhm-verdienten wunden,

Durch die er so viel gunst bey so viel seelen funden;

Ja weil noch nicht entdeckt, wer sich mit ihm verband,

Weil er mit worten nur, nicht mit bewehrter hand

Gefrevelt, dünckt mich, sey es mehr denn hoch vonnöthen,

Zu dencken, wie und wo und wenn er sey zu tödten.

Soll ihn das leichte volck sehn auf den richtplatz gehn,

Gebunden und geschleifft? Soll er gefässelt stehn,

Da wo man tausend heer und tausend rühmen hören

Sein offt bekräntztes haupt, da er mit höchsten ehren

Nur nicht den thron bestieg? diß sieht gefährlich aus.

Wird das bewegte volck und die, so seinem hauß

Durch gunst und nutz verknüpfft diß ohn entsetzung schauen?

Was wird das läger nicht, auf das er pflegt zu trauen,

Das ihm zu dienste steht, was wird die frembde macht,

Die, was er hieß, verricht, und der so um uns wacht,

Bey solcher zeit nicht thun? Was werden die nicht wagen,

Die zweiffels ohn verpflicht, hand mit ihm anzuschlagen?

Glaubt diß: wer bey ihm hält, wer in dem bunde fest,

Wird suchen, was die noth, was hoffnung spüren läst!

Und warum will man nicht zuvor durch strenges recken

Ihn zwingen, uns den grund des anschlags zu entdecken?

2. RICHTER.[52]

Er hat den tod verdient. Ein ieder gibt es zu.

Er sterbe! Morgen? Ja! ihr sagts. Warum nicht nu?

Man eylt hier nicht zu viel. Wenn man so hart beladen,

Kan auch ein augenblick mehr denn erträglich schaden.

Er ist noch keiner that (so spricht man) überzeugt;

Er ist um wort in hafft. Der, den der rauch betreugt,

Irrt treflich sonder licht! Wollt ihr sein werck beschauen,

So seht auf seinen mund. Was darff man diesem trauen,

Der vor dem richtstuhl selbst noch fürst und räthe pocht

Und lauter gall und gifft in tückschem hertzen kocht?

Ist diß wohl ie erhört, wofern sein grimmes schmähen

Noch keiner straffen werth? Wo, was vorhin geschehen,

(Geschehn und doch verziehn) euch nicht ermuntern kan,

So schaut des käysers haupt und eure leiber an!

Wollt ihr, biss dass der fürst durch seinen mord geblieben,

Biss ihr mit ihm erwürgt, das lange recht auffschieben?

Ja harr't, biss Michael die straffe recht verdien!

Glaubt man von auffruhr nichts biss reich, und scepter hin?

3. RICHTER.

Das volck, es ist nicht ohn, ist leichtlich zu bewegen;

Doch darff man in der stadt kein offen blut-recht hegen.

Der ort gesetzter pein, das leichen-volle feld,

Da vor gemeine schuld man pfahl und holtz auffstellt,

Der trüben hörner klang, der henker mord-gepränge,

Schreckt geister sonder witz. Ist uns der hoff zu enge?

Man straffe, wo gefehlt. Der fürst, dem wenig gleich

An tugend, sieg und ruhm, der dieses große reich,

Den stuhl, diß neue Rom auf alten grauß versetzet,

Hat, als ihn auf sein blut die geile frau verhetzet,

Die mutter, die ihr kind nicht mütterlich geliebt,[53]

Von heilgem zorn entbrannt, rach in geheim verübt?

Vergieng nicht auf sein wort in siedend-heißem baden

Die brandstätt toller brunst, das weib, der länder schaden,

Der menschen hohn und fluch, der schandfleck ihrer zeit,

Der greuel der natur, den iederman anspeyt

Und iedes kind verflucht? Man kan nicht strenge schelten,

Nicht neu und unerhört, was Constantin hieß gelten.

1. RICHTER.

Heischt man die folter nicht?

4. RICHTER.

Ist seine schuld nicht klar?

Was sucht man erst durch pein, was mehr denn offenbar?

1. RICHTER.

Die strenge frage kan den trotz der geister dämpffen.

4. RICHTER.

Ein hoher geist pflegt offt mit noth und qual zu kämpffen.

1. RICHTER.

Zu kämpffen; doch biss ihm der grause schmerz obsiegt.

5. RICHTER.

Wo durch verstockten muth der schmertz nicht unterliegt.

6. RICHTER.

So ists auch, glaub ich, hier, es werd uns glühend eisen,

Pech, fackel, siedend öl und bley kein mittel weisen

Zu finden, was man sucht.

1. RICHTER.

Viel haben viel bekannt,

Gedrängt durch flamm und strick.

4. RICHTER.

Viel haben streich und brand[54]

Und schraub und stein verlacht. Last ihn auf räder strecken!

Ich zweiffel, ob er uns auffrichtig wird entdecken,

Was uns zu forschen noth.

7. RICHTER.

Man kan nicht sicher gehn

Auff gründen, die allein fest auf der folter stehn.

Wer weiß nicht, dass man offt aus hass, aus lust zu leben

Die redlichst unschuld selbst boßhafftigst angegeben?

1. RICHTER.

Philotas, als das blut aus allen gliedern floss,

Gab, wie behertzt er war, sich scharffen geißeln bloß.

6. RICHTER.

Hat Hippias nicht selbst der freunde sich beraubet,

Als er dem falschen schwur des hartgequälten glaubet?

Man rühmt das weib von Rom, die sich zureißen ließ,

Und die, die in der qual die zung in stücken biss.

8. RICHTER.

Wie? wenn er allen grimm der marter überwünde

Und steiff und unverzagt auf trotzem schweigen stünde?

Denckt, was das auf sich hab!

9. RICHTER.

Auch scheint es, wenn die pein

Nach hohen köpffen greifft, als fiele zweiffel ein,

Gestärckt durch falschen hass. Was sind wir hier bemühet

Zu grübeln nach der schuld, die man vor augen siehet,

Die er nicht läugnen kan? Wo iemand bey ihm hält,

Dem wird sein untergang zu schrecken vorgestellt,

Das mächtig, in den weg, was wo verirrt, zu bringen,

Das sein entdecken leicht kan ins verzweiffeln dringen,

Verzweiffeln zu wasmehr.[55]

3. RICHTER.

Mit kurtzem, was ihr thut,

Thut stracks! Bald anfangs lescht vielmehr ein tropffen blut

Denn eine flut zu letzt.

1. RICHTER.

Ich stimm es.

2. RICHTER.

Ich.

3. RICHTER.

Wir alle.

4. RICHTER.

Und wir.

5. RICHTER.

Wer sich zu hoch erheben will, der falle!

7. RICHTER.

Setzt ihm den holtzstoß auf!

8. RICHTER.

Dem mörder!

9. RICHTER.

auf die gluth!

1. RICHTER.

Er brenn und seine pracht, der laster-volle muth

Vergeh in asch!

2. RICHTER.

Er brenn!

3. RICHTER.

Er brenn!

4. RICHTER.

Er brenn und schwinde!

5. RICHTER.

Und werd ein dampff der lufft und gauckelspiel der winde!

LEO.

Ihr schließet seinen tod!

6. RICHTER.

den längst verdienten lohn.[56]

LEO.

Verfasst den spruch! Er sterb allhier mit minder hohn

Und mehrer sicherheit! Der uns das leben giebet,

Der durch die hertzen sieht, weiß, wie wir ihn geliebet!

Er kennt, der alles kennt, wie hoch wir ihn belohnt,

Wie offt wir seiner schuld aus treuer gunst verschont,

Wie stoltz er uns gepocht, wie frech er uns gefluchet,

Wie offt er seinen ruhm durch unsre schmach gesuchet,

Wie hart sein untergang uns diesen geist beschwer,

Wie scharff sein herber tod uns hertz und seel auszehr;

Doch ihr, diß reich, das recht und unser blut und leben,

Die zwingen uns, den mann den flammen hinzugeben.

RICHTER.

Das urtheil ist gestellt! Rufft den beklagten ein!

LEO.

So wechselt zeit und recht und kehrt die ehr in rein.


Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 51-57.
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