|
[92] Der 3. Verschworene: Jamblichius, ein knabe, der höllische geist.
JAMBLICHIUS.
Wer klopfft?
VERSCHWORENER.[92]
Thu auf!
JAMBLICHIUS.
Wer ists?
VERSCHWORENER.
Dein freund!
JAMBLICHIUS.
Wer ists?
VERSCHWORENER.
Gib acht!
JAMBLICHIUS.
Ey, wie so spät! es ist fern über mitternacht.
Astree steigt herauf; der bähr ist umgekehret.
Ich habe mit verdruss dein ankunfft längst begehret.
Die recht bequeme zeit entgeht uns aus der hand,
Die geister halten nicht all augenblicke stand.
VERSCHWORENER.
Ich kont aus meinem hof, um argwohn zu vermeiden,
Nicht eher, biss der schlaff all eingenommen scheiden.
Du weist, warum ich komm; ich habe den verlauff
Des wercks dir heut erzehlt. Halt mich nicht länger auf!
JAMBLICHIUS.
Gantz nicht. Nur bleib behertzt! man richtet an dem orte
Mit zittern wenig aus. Enthalt dich aller worte!
Schreit aus dem circkel nicht! Die schlingen binde loß!
Entgürte deinen leib! Der lincke fuß sey bloß!
Mein sohn bring uns den zeug, durch den ich blitz errege
Und leichen aufferweck und Hecaten bewege!
Lös auf mein greises haar! nimm diese hauben hin
Und diß gemeine kleid! Du must den schuch abziehn.
Wo ist der weiße rock mit bildern ausgestricket,
Der auf gesetzte zeit durch keusche hand gesticket?
Das licht von jungfernwachs und kinderschmalz gemacht?
Die ruthe, die ich nechst, als zwischen tag und nacht
Die gleiche sonnen stund, aus vielen haselsträuchern
Mit schwerer müh erkohr? Gib Ypen! gib zu räuchern!
Umwinde mir dreymahl den kopff mit diesem band!^[93]
Schütt aus die todtenbein! Steck an die dürre hand!
So lang als hier vor uns die lichten finger brennen,
Müss uns kein fremder mann, kein fremdes aug erkennen!
Diß sey der erste ring, diß sey der letzte kreiß,
Hieher gehört der kopff, hieher das tuch mit schweiß
Der sterbenden genetzt, die eingebundnen hertzen.
Hieher die frauen-haut, die in den kinder-schmertzen
Durch diese faust erwürgt; die kräuter zwischen ein,
Die ich mit ertz abschnitt bey stillem mondenschein.
Gib achtung, ob ich recht die zeichen auffgeschrieben;
Ob nichts, was nöthig ist, sey unterwegen blieben!
Schrecklicher könig der mächtigen geister! Printze der lüffte, besitzer der welt!
Herrscher der immerdar-finsteren nächte, der tod und höllen gesetze vorstellt!
Der, was vor ewigen zeiten verschwunden,
Der, was die künfftig einbrechende stunden
Den sterblichen gesetzt, der was noch ietzund blüht,
Und was zutreten wird, als gegenwärtig sieht,
Leide, dass ich dein geweyhter dich grüße! Leide, dass ich deine sinnen ergründe!
Gönne doch, dass in so wichtiger sache, ich was zu thun, was zu lassen, erfinde!
Lass, wie diß blut aus der ader entspringet,
Lass, wie der rauch in die lüffte vordringet,
Lass, wo dich ie ergetzt, was dir zu dienst geschehn,
Uns des so schweren wercks gewünschten ausgang sehn!
Der du alle list erdacht,
Der du gifft zu wegen bracht,
Den der weise brachman ehrt,
Und der nackte lehrer8 hört,
Den der Indian gekrönt
Und mit menschen-blut versöhnt,
Dem Chartag' ihr kind umbracht,
Dem der Scythe gäste schlacht,
Den man in der Jüden land9[94]
Erster mütter frucht verbrandt,
Dem der Celte köpff auffhenckt
Und gefangner leben schenckt!
Wo du dem, welcher dir die knie geneiget,
Offt in gestalt der schlangen dich gezeiget;
Wo dir geliebt, in ungeheuren hecken
Durch zeichen, durch gesicht, durch licht uns zu erschrecken;
Wo deine lust, die lüffte zu bewegen,
Mit blitz und donnerschlägen,
Wo deine krafft sich findt in unterirrd'schen klüfften,
In kalter leichen grüfften;
Wo die verborgnen schätze
Sind unter deiner hut;
Wo nichts, das dich ergetze,
Geht über menschen blut;
Wo du mit toller brunst die sinnen kanst entzünden
Und ware lieb auffbinden,
Wo du in nympffen dich und nixen offt verstellet
Und dich zu frau und mann gesellet;
Wo du die frau dem mann und dieser den verschlossen,
Dass sie keiner eh genossen;
Wo du durch brüder hand die brüder hast getödtet
Und den unschamhafften sohn durch der eltern blut errötet;
Wo du, was künfftig offt erklärt,
In einer jungfraun eingeweide,
Die durch des eignen vaters schwerdt
Geopffert in der wüsten heide;
Wo eines knaben abgehauen haupt10
Durch dich, was man nicht wust, entdecket;
Wofern ein kind, das von der brust geraubt,
Mit nutz dir an den pfahl gestecket;
Wo einer schwangern leib noch lebend auffgeschnitten,
Um dir genung zu thun, um dich zu überbitten;
Wo eine mutter selbst, was sie gebahr, verzehrt,[95]
Als du dich günstig hast zu ihr gekehrt;
Wo ich dein priester bin, der niemals unterließ
Mit solchen opffern dich zu ehren;
Wo ich der frauen hertz warm aus den brüsten rieß:
So lass mich gnädig antwort hören!
Wo ich, was heilig, stets entweyet,
Und was gesegnet ist, vermaledeyet,
Sol unbeflecktes blut ich morgen dir vergießen:
So lass mich klärlich antwort wissen!
Wo die verborgne krafft der fremden wort und zeichen,
Die ich beginne,
Dich, herrscher! mächtig zu erweichen:
So gib, dass ich, was ich begehrt, gewinne!
Nach diesem macht er etliche fremde zeichen und murmelt eine zimliche weile.
Sehr wol! ich bin erhört; der sternen glantz erbleicht,
Der himmel steht bestürtzt, der löw, der bähr entweicht,
Die jungfrau scheust zurück, die dicken lüffte blitzen,
Der erden grund erbebt, die wächsne bilder schwitzen.
Wie raast die Hecate! die flammen brechen vor!
Erschrick nicht! Schau! der geist! Hier dient ein achtsam ohr.
DER GEIST.
Des käysers thron zubricht, doch mehr durch list als stärcke.
Wo man kein blut vergeust, geht man mit mord zu wercke.
Der kercker wird erhöht, wo euch nicht zwytracht schlägt.
Du, suche keinen lohn! Dir wird, was Leo trägt.11
JAMBLICHIUS.
Vollbracht! Wirff hinter dich, mein sohn, was ich dir gebe!
Schau nicht zurücke! still! Bleib, biss der geist auffhebe!
Er fleucht! Raum alles weg! Trag ruthen, zeug und licht
An den bestimmten ort? Wie? taug die antwort nicht?
Wie stehst du so bestürtzt?[96]
VERSCHWORENER.
Mir zittern alle glieder;
Ich weiß nicht von mir selbst.
JAMBLICHIUS.
Ist dir der spruch zuwieder?
VERSCHWORENER.
Nein warlich! ob er zwar in etwas dunckel scheint.
Ich bitt, erkläre mir, was er vor örter meint,
Da man kein blut vergeust.
JAMBLICHIUS.
Die durch das recht befreyet,
Als kirchen, als altar und was mehr eingeweyhet.
VERSCHWORENER.
Doch wie versteh ich diß: du suche keinen lohn?
Dir wird, was Leo trägt?
JAMBLICHIUS.
Was trägt er als die cron?
VERSCHWORENER.
Genung, du solst mich nicht mein freund undanckbar finden.
Die angesetzte zeit wil, denck ich, fast verschwinden.
Ich geh.
JAMBLICHIUS.
Er fängt das werck zwar unerschrocken an
Und führt es glücklich aus, doch wo ich rathen kan,
Mit klein und keinem nutz. Was uns der geist erkläret,
Sieht doppelsinnig aus. Dir wird zu lohn beschehret,
Was Leo trägt. Ja wol! Was trägt er? Cron und tod.
Ich fürchte, dass man dich erdrück in gleicher noth.
Ich habe die gefahr vorsetzlich dir verborgen;
Doch was der abend nicht entdeckt, das lehrt der morgen.
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
|
Buchempfehlung
Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.
62 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro