|
[141] Nah des Grenzpfahls kaltem Banne
Zwischen deutsch' und wälschen Landen,
Eine Pinie, eine Tanne
Hart beisammen grünend standen.
Wie Vorposten grüner Jäger,
Ihren Heeren vor sich wagend,
Zweier Reiche Bannerträger,
Nords und Südens Fahne tragend;
Oder gleich zween Abgesandten,
Die mit Friedensgruß und Kränzen
Hier sich froh begegnend fanden
An der beiden Reiche Grenzen.
Pinie sprach: »Durch mich begrüßen
Reb' und Nachtigall die Schwestern,
Die auf Deutschlands Hügeln sprießen,
Singen in den nord'schen Nestern.
[141]
Apennin, in dessen Locken
Ich nur bin ein Blatt des Kranzes,
Er entbeut dem alten Brocken
Einen Gruß voll Sonnenglanzes!
Mögen nach verborg'nen Erzen,
Ird'schen Haß und Stolz zu kühlen,
Nie in seinem edlen Herzen
Menschenhände frevelnd wühlen!
Mög' ums Haupt ihm eines hellen,
Ew'gen Lenzes Krone glimmen,
Und zu Füßen ihm die Quellen
Tausend Silberharfen stimmen!
Lind um seine Schläfen schmiege
Sich ein Traum von alten Tagen,
Als sie in des Chaos Wiege
Schlummernd noch beisammen lagen!«
Tanne drauf: »Von Deutschlands Hainen
Grüß' ich Oelbaum, Lorberwälder;
Mögen sich die Zwei stets einen
So um Stirnen, wie um Felder!«
Rhein entbeut dem Po, der Tiber
Gruß und Segen, den Geschwistern!
Also hört' ich mir vorüber
In den Silberbart ihn flüstern:
»O daß ihre schönen, bleichen
Wellen Menschenblut nie färbe,
Nie die schnöde Fracht der Leichen
Ihren stolzen Nacken kerbe!
[142]
Mag nur Rosengluth sie röthen
Und Orangenduft berauschen,
Daß sie dann, die palmumwehten,
Schlummernd schönern Träumen lauschen:
Wie wir einst ins Weltmeer steigen,
Jubelnd dort zusammenklingen,
Hand in Hand den ew'gen Reigen
Um die blüh'nde Welt zu schlingen!«
So bemühn sich Beid' aufs Beste
Ihre Sendung zu vollführen,
Während sanft sich ihre Aeste,
Wie zum Händedruck, berühren.
Schöne Pinie, deine Losung?
»Lenz und Friede, Licht und Liebe!«
Starke Tanne, deine Losung?
»Lenz und Friede, Licht und Liebe!«
Reben, die in wilden Keimen
Ueppig Stämm' und Aest' umstricken,
Schlagen zwischen beiden Bäumen
Kühn des Friedens grüne Brücken.
Eine Nachtigall schwebt singend
Diese Brücken auf und nieder,
Tann' und Pinie ganz umschlingend
Mit dem Netze süßer Lieder.
Horch, da hör' ich Trommeln hallen,
Schrecken zittert durch die Bäume!
Seh' die Wolke Staubes wallen,
Sie verschneit die Frühlingsträume!
[143]
Meiner Heimat Kriegesmannen
Ziehn vorüber und sie pflücken
Zweige sich von Pinien, Tannen,
Tschako und Standart' zu schmücken.
Brüder, zieht mit Gott die Bahnen!
Doch aus euch, ihr Zweig', umkeime
Ihre Schläfen leis ein Mahnen
Eurer Botschaft, eurer Träume.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro