Verloren!

[29] Ihres Herzens heil'ge Zelle,

Ihres Blickes lichter Stern,

Ihres Wortes muntre Welle,

Mir verloren, fremd und fern!


Wißt ihr, wie jetzt dem zu Muthe,

Der vom Nordpoleis umfaßt,

Einst doch unter Palmen ruhte

Als des Tropenhimmels Gast?


Könnt ihr dessen Leid ermessen,

Der jetzt lechzt im Wüstensand,

Einst an Quellen doch gesessen

In dem grünsten Alpenland?


Könnt ihr fühlen wie der Blinde,

Den einst Gottes Welt entzückt,

Wenn die mitternächt'ge Binde

Jetzt sein lichtlos Auge drückt?
[30]

Oder wie der Töne Meister,

Den einst Wohllaut nur umfloß,

Als der tückisch'ste der Geister

Ihm der Tonwelt Pforten schloß?


Dann zu ahnen mögt ihr wähnen

Des verwaisten Herzens Leid,

Sein Erinnern, trostlos Sehnen,

Seine Todeseinsamkeit.


Schließt in Eine eh'rne Klammer

Allen Schmerz zusammen ein,

Es erreicht nicht seinen Jammer,

Es umfaßt nicht seine Pein.

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 2, Berlin 1907, S. 29-31.
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