Wildbach

[138] Reich ist das Meer! Gestirn' und Sonne prägen

Ihr Bild in sein Brokatgewand; ihm wallen

Ins Becken, das voll Perlen und Korallen,

Zinspflicht'ge Ströme, schüttend Goldessegen.


Schmuckkästchen gleich die Silberflotten wägen,

Es leert, zerschlägt sie spielend nach Gefallen!

Doch welche Botschaft macht so eilig wallen,

Wildbächlein, dich aus armen Waldgehegen?


»Reich ist das Meer, die Fürstin, die zum Feste

Kostbar geschmückt mit Stoffen, Steinen, Ringen;

Doch fehlt der Blumenstrauß ans Herz, das Beste!


Das Meer sehnt sich nach fernem Waldesbildniß,

Ich nahm es auf, ihm's unentstellt zu bringen:

Der Schönheit Macht ergänzt die arme Wildniß.«

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 2, Berlin 1907, S. 138.
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