Widmung

[3] Aug' in Auge lächelnd schlangen

Arm in Arm einst West und Ost,

Zwillingspaar, das liebumfangen

Noch in Einer Wiege kos't!


Ahriman ersah's, der Schlimme,

Ihn erbaut der Anblick nicht,

Schwingt den Zauberstab im Grimme,

Draus manch rother Blitzstrahl bricht.


Wirft als Riesenschlang' ins Bette,

Ringelnd, bäumend, zwischen sie

Jener Berg' urew'ge Kette,

Die nie bricht und endet nie.


Läßt der Lüfte Vorhang rollend

Undurchdringlich niederziehn,

Spannt des Meers Sahara grollend

Endlos zwischen Beiden hin.
[3]

Doch Ormusd, der Milde, Gute,

Lächelnd ob dem schlechten Schwank,

Winkt mit seiner Zauberruthe,

Sternefunkelnd, goldesblank.


Sieh, auf Taubenfitt'gen fächelnd,

Von der fernsten Luft geküßt,

Schifft die Liebe, kundig lächelnd;

Wie sich Ost und Westen grüßt!


Blüthenduft und Thau und Segen

Saugt im Osten Menschengeist,

Steigt als Wolke, die als Regen

Mild auf Westens Flur dann fleußt!


Und die Brücke hat gezogen,

Die vom Ost zum West sich schwingt,

Phantasie als Regenbogen,

Der die Berge überspringt!


Durch die weiten Meereswüsten,

Steuernd, wie ein Silberschwan,

Zwischen Osts und Westens Küsten

Wogt des Lieds melod'scher Kahn.

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 3-4.
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