[233] Zunftmeister Brügge's saßen bei Karten, Wein und Lied,
Da saß der braune Schiffer, der Färber und rußige Schmied,
Der Genterschuster Kopp'noll gesellt als Gast sich zu,
Er sprach im Rath am laut'sten und machte schlechte Schuh'.
Der Schuster rief: »Ihr Herren, wißt ihr das Neu'ste nicht?
Zu Lichtmeß kommt der König; Gott geb', es werde Licht!«
Indeß der Färber heimlich guckt in die Karten dem Schmied,
Und murmelt dabei halb leise das alte schöne Lied:
»Ein Königlein gab's einmal – wollt' sagen ein Murmelthier –
Geschäftlos war es keinmal, schlief Nachts und Tages schier!
Des Nachts, weil's Mod' im Leben zu schlafen bei der Nacht,
Und Tages, weil dieß Schlafen es müd' und matt' gemacht.«
Es sprach der Schmied inzwischen: »Den Max, den hass' ich nicht,
Ein wackrer Kerl ist's immer; – doch ach, sein Hofgezücht!
Mit derben Eisenhufen beschlagen sind die Herrn,
Und auf des Volkes Leichdorn spazieren und tanzen sie gern!«
[233]
Der Schuster, pfiffig schmunzelnd, klopft' auf die Achseln dem Mann:
»Ein Pärlein neue Stiefel! gern mäß' ich's ihnen an!«
Jetzt schlug auf den Tisch der Färber und brüllte jubelnd drein:
»Ha, Vivat Eichelkönig! der Schellenbub' ist mein!«
Da schmiß im Zorn der Schiffer die Karten an die Wand:
»Ein gotterbärmlich Leben ist's doch bei euch zu Land'!
Verdammt! sticht doch den Buben der König immer wieder!«
Aufsprangen All', es tobten die polternden Stühle nieder.
Es rief der Schmied: »So 'n Zepter ist doch ein elend Ding!
Zum Meisterprobstück wär' mir solch Machwerk zu gering!«
Der Färber sprach: »Mir modert manch rother Fetzen zu Haus;
Hing' er auf des Schusters Dreifuß, nähm' gut als Thron er sich aus.«
Sein Haupt bedächtig schüttelnd, mit hochgewichtigem Sinn
Stand Koppenoll, der Schuster, und murmelt vor sich hin:
»Respublica stieß jüngsthin sich in den Schuh ein Loch,
Doch Meister Kopp'noll denket, es sei zu flicken noch.
Ihr Herrn! wer gibt das Zepter den Königen in die Hand?
Der oben im Himmel herrschet, denn er schuf auch ihr Land!
Das Niederland doch schufen wir selbst durch Menschenkunst,
Drum wählen wir auch den Herrscher aus eigner Macht und Gunst.«
»Bravo, du wackrer Meister! du sollst uns Führer sein!«
So fielen jetzt im Chore die Andern brüllend ein,
Und taumelten aus dem Thore, und stürmten auf den Thurm,
Und rissen an allen Glocken, und lärmten heulend Sturm.
Schon sieht man auf dem Markte der Zünfte Fahnen wehn,
Und unter ihnen versammelt die Zunftgenossen stehn!
Erst dumpf begann's zu murmeln, bis endlich laut es scholl
Vom Mund des Volks und der Häupter: »Sei Führer, Koppenoll!«
[234]
Drauf tobt's durch Plätz' und Straßen und singt und heult und droht,
Und wirft die Königssäulen zertrümmert in den Koth;
Da flog manch eisern Zepter, manch Haupt mit zerschlagener Stirn',
Manch steinerne Herrschernase, manch hölzern Königshirn.
Ausgewählte Ausgaben von
Der letzte Ritter
|
Buchempfehlung
Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.
158 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro