Zwei Helden

[268] Im Kloster Königsfelden, da steht's gehaun in Erz:

Hier traf der Dolch des Mörders einst König Albrechts Herz.

So sieht man's oft im Denkbuch der Astrologen stehn:

Ein blutiger Komete ward dieses Jahr gesehn.


Im Kloster Königsfelden, da spricht ein Marmelstein:

Hier harrt der frohen Urständ des Herzog Leupold Gebein.

So zeigt ein greiser Landmann dem Enkel eine Säule:

Hier sank ein schöner Tempel, verzehrt vom Donnerkeile.


Es liegt an Leupolds Grabe nun König Max auf Knien:

Als Habsburgs Sohn muß rächend durchs Schweizerland er ziehn,

Als König bringt er Ketten dem freien Schweizerbund,

Als Mann drückt' alle Freie er gern an Herz und Mund!


»O edler Ahn, wohl kämpftest, wohl starbst du als ein Held,

Auf einem Thron von Leichen zu Sempach auf dem Feld,

Wohl könnt' ich kämpfen und sterben, wie du so kühn und gut,

Doch will mein Schwert ich färben nie mit der Freiheit Blut.«


Er spricht's und winkt; da schreitet ein Mann aus dem Ritterschwarm,

Sein Mund so ernst wie Sargtuch, wie Amboß stark sein Arm;

Doch daß der Arm auch tändeln, der Mund auch küssen kann,

Vertraut daheim manch Mädchen der Freundin lächelnd an.


Im Frieden kann er weinen ob einer Blume Tod,

Da mundet ihm kein Becher, den nicht sein Liebchen bot;

Im Kriege aber tränk' er aus Schädeln bleich und hohl,

Auf Leichenbergen sitzend, auf seiner Dame Wohl.
[269]

Um seinen Schild rings glänzet der Spruch der Ritterschaft,

Bewährt durch all sein Streben, durch seines Armes Kraft:

»Des Königs soll mein Leben, die Seele Gottes sein,

Mein Herz den Fraun ergeben, die Ehre bleibe mein!«1


Es reicht der Fürst dem Ritter den Feldherrnstab nun dar:

»Mein Fürstenberg, statt meiner führt Deutschlands Kriegerschaar,

Geleit' euch mild der Himmel und stähle eure Wehre,

Sieg sei euer Fahnenjunker und euer Panier die Ehre!


Ei, Freund, mich däucht, der Ruhm euch nicht sonderlich erscheint,

Wo Kühhorn ist Drommete, und Bauernvolk der Feind;

Doch diese Bauern holen im Schlachtfeld Purpur und Kron',

Manch stolzes Heer schon bebte bei ihres Kühhorns Ton.«


Schon ruht auf Uri's Thälern des Vollmonds Friedensblick,

Noch einmal sieht im Scheiden das Sonnenaug' zurück,

Sankt Gotthards Haupt doch glühet lang in des Thales Nacht,

Ein Riesenaltar, drauf noch die Opferflamme facht.


Im Ursernthal, wo schäumend die Reuß um Felsen schlägt,

Da wallt ein Zug von Männern, der hoch ein Banner trägt,

Ein schwarzer Ur im Goldfeld, ha, Uri's Wappenzier!

Nie bog den freien Nacken zum Joche dieser Stier.


Es ragt ein hölzern Häuschen im Thal aus grüner Trift,

Rings ums Gesimse steht es gehaun in grober Schrift:

»Ich bin ein freier Schweizer, Heinz Wohlleb zubenannt,

Dieß Häuschen und sein Sasse stehn beid' in Gottes Hand.«
[270]

Ein Greis sitzt vor dem Thore; das Haar auf seinem Haupt,

Das scheint ein fahles Saatfeld, vom Schnitter Zeit entlaubt;

Sein Töchterlein, so blühend und schön, sitzt nebenan,

So blüht oft an Ruinen ein Rosenstrauch hinan.


Jetzt naht mit dem Paniere der ernste Männerkreis,

Der Aelt'ste aber reicht es mit warmem Gruß dem Greis:

»Freund Wohlleb, nimm dieß Banner und führ's mit treuem Muth,

Wie sein's geführt vor Sempach der Schultheiß Niklas Gut.«


Der Alte faßt die Fahne, sein Blick zum Himmel steht,

Sonst bebt sein Arm, wenn leitend er hinterm Pfluge geht;

Wie hoch und kräftig jetzo den starken Schaft er hebt!

Wie ihm, gleich Sonnenadlern, vom Mund die Rede schwebt!


»Sieh nieder, Herr, und höre dein Volk und deinen Knecht,

Wir heben kühn die Wehre für Freiheit und für Recht;

Willst du's, dann hält so sicher, ein fester Felsenthurm,

Mein schwacher Arm die Fahne, und es zerschellt der Sturm.


Du willst nicht, daß sich beuge dem Purpur unser Knie,

Deß Knie vor dir sich neiget, der kniet vor Menschen nie.

Soll unsrer Väter Gräber der Fremdling frech entweihn,

Des Ritters Roß, drauf weidend, zerstampfen ihr Gebein?


Soll unser Enkel hungernd einst kämpfen mit dem Tod

Und mit des Ritters Hunden um weggeworfnes Brod?

Soll frech sein Troßbub schlagen in unsrer Greise Gesicht,

Am Boden zerrn ihr Schneehaupt? O Gott, das soll er nicht!


Heraus nun aus der Scheide und bleib' mir treu, mein Schwert,

So treu wie sich die Sense dem Schnittersmann bewährt!

Erst zweimal hast du mähend dein Tagewerk bestellt,

Doch Murten hieß und Granson der Doppelernte Feld.
[271]

Du heilig Banner, flattre stets nur um freie Stirnen,

Und weh' als Siegesbote einst von den weißen Firnen!

O steig' in unsre Thäler, Freiheit, du himmlisch Weib!

Du bettest ja auf Alpen so gern den Wonneleib.«


So sprach der greise Wohlleb. Wie jung sein Herz er fühlt!

Wie ihm die rauschende Fahne die heiße Stirn' umkühlt!

Wie haucht mit lauerm Odem der Abendwind darauf!

Ha, oder legt Tells Schatten die Händ' ihm segnend auf?


Horch, wie die Reuß im Sturze ins Thal jetzt niederklingt,

Und wie ein Gemsenjäger von Fels zu Felsen springt;

Sieh, wie der Vollmond drüben aufglüht so roth wie Blut,

Und auf dem Gotthard mählich erlischt die Opfergluth!


Fußnoten

1 A Dieu mon ame,

Ma vie au roy,

Mon coeur aux dames,

L'honneur pour moi.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 268-272.
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Ausgewählte Ausgaben von
Der letzte Ritter
Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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