Abfahrt von Innsbruck

[323] Am Innstrand harrt ein Schifflein beim ersten Frührothschein,

Da stieg, verhüllt im Mantel, der kranke Kaiser ein,

Die treue Eichentruhe lehnt düster neben ihm,

Fort schießt im raschen Strome das Schiff mit Ungestüm.


Am Strande murmelt fragend nun Innsbrucks Volk im Kreis:

Wohin so schnell und eilig, du düstrer Kaisergreis?

Da schien von Maxens Lippen das Wort zurückzuwehn:

Lebt wohl, lebt wohl! Nach Oestreich will ich nun sterben gehn!


Es lehnt am Eichensarge sein Haupt, von Sorgen schwer,

Zum Himmel blickt er düster und düster rings umher:

»Du schönes Land, dich liebt' ich so treu und inniglich,

O wüßt' ich nur, ob glücklich mein Volk auch sei durch mich!«
[323]

Die Fluth umrauscht das Schifflein, und schnell vor Maxens Blick

Fliehn Thäler, Berg' und Flächen, Gehöft' und Stadt zurück;

Wohin er blickt, sprießt Leben und Segen, Kraft und Fleiß,

Wohin er horcht, klingt Freude und Jubelsang und Preis.


Auf Wiesen klirrt die Sense, in Wäldern knallt das Rohr,

Gewaltige Hämmer stampfen durchs Thal im Donnerchor,

Und aus dem Schlund der Schlöte qualmt's riesig, dicht und grau,

Da schien auf schwarzen Säulen zu ruhn des Himmels Bau.


Und weiterhin dann Felder, die dicht voll Saaten stehn,

Und Heerden, die fröhlich blökend auf grünen Alpen gehn,

Und Mühlen klappernd im Thale, von Fluthen rasch getrieben,

Die, sprühend, an den Rädern als Sternenregen zerstieben.


Und rings auf allen Straßen lebendiges, heitres Drängen!

Da stäubt's von flinken Reitern, die rasch zum Ziele sprengen,

Da knarrt des Fuhrmanns Achse, von Fracht des Segens schwer,

Und Wandrer wallen singend die sichre Bahn einher.


Mit lustigem Ruderschlage, mit flatternden Wimpeln ziehn

Im Strom viel rüstige Schiffe, wohl kreuzend her und hin,

Von Schätzen voll und Waaren, reich bis zum tiefsten Raum;

Doch Maxens Schiffer grüßen, nun stolz, die Brüder kaum.


Sieh dort vor dem Gehöfte, in frischer Trift gelegen,

Spricht heitern Blicks ein Landmann just über sein Kind den Segen

Und lehrt's, in Drang und Nöthen sein Herz zu Gott zu wenden

Und beten für gute Fürsten mit aufgehobnen Händen.


Und Städte stehn am Ufer mit Mauern, schmuck und weiß,

Glück wandelt durch die Straßen, in Häusern rauscht der Fleiß,

Manch blühend, nickend Antlitz grüßt aus den Fenstern hervor,

Und läutende Glocken tönen wie Dank an Maxens Ohr.
[324]

Noch lehnt am Eichensarge sein Haupt, von Alter schwer,

Doch selig blickt er aufwärts und selig rings umher;

Wohl tief hat er verstanden der Antwort stummen Ruf

Und fragt nicht mehr, ob glücklich sein treues Volk er schuf?


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 323-325.
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Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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