[192] Ludwig XIV. von innen Lionne. Delarive.
LUDWIG. Ha, ha, ha! Lionne! Das ist eine sehr lustige Geschichte!
LIONNE. Ew. Majestät geruhen –
LUDWIG. Sehr ungnädig zu sein! Kaum hat man sich einige Tage von Paris entfernt, so glaubt man in ein Chaos zurückzukehren.
LIONNE. Ich dachte im Interesse der Ordnung zu handeln, wenn ich die Aufführung eines Stückes verbot, das mehr ein Pasquill als ein Kunstwerk ist.
LUDWIG. Die Polizei spricht von Kunstwerken! Sie bleiben immer im Komischen![192]
LIONNE. Sire, ich bin nicht Kenner genug, um zu entscheiden, ob ein Werk nach den Regeln des Aristoteles gearbeitet ist, aber das weiß ich, der Tartüffe wimmelt von Anzüglichkeiten auf die Polizei.
LUDWIG. Sagen Sie, wenn ehrliche Menschen über die Polizei lachen, ist denn das ein Verbrechen? Es wäre nur schlimm, Lionne, wenn die Verbrecher Sie auslachten! Sie haben durch Ihr Verbot ganz Paris aufgeregt; Sie haben meine Regierung hingestellt, als müßte sie vor den Versen eines Schauspielers zittern; das gibt nur denen, die unterdrückt werden, Märtyrerkronen, und die, die sich fürchten, erscheinen kindisch.
LIONNE. Wenn Sie geruhen wollten, Sire, das Stück zu lesen –
LUDWIG. Um Gottes willen nicht, Lionne! Dazu braucht' ich drei ungestörte Stunden, und wo fänden sich die auf dem Throne von Frankreich! Beiseite zu Delarive. Nun, Delarive? Wie ist's mit Armande? Haben Sie Erkundigungen eingezogen?
DELARIVE. Leider! Sie wird der Truppe nach Lyon folgen, wohin Molière während der Ferien zu Gastvorstellungen eingeladen ist.
LUDWIG. Diese Ferien, diese Urlaube, ich werde sie abschaffen. Lyon soll sich selbst ein Theater halten! Beiseite. – Delarive, ich hoffe, daß wir mit Armanden wieder anknüpfen. Nichts von Lyon! Ich gebe die Erlaubnis nicht.
DELARIVE beiseite. Die Geschenke, die Ew. Majestät der liebenswürdigen Dame angeboten, hat sie angenommen.
LUDWIG beiseite. Bester, das beweist nichts! Schauspielerinnen betet man an, beschenkt sie, sie bewilligen uns nichts und die Geschenke – behalten sie doch.
DELARIVE. Es ist mir fast, als käme dies Billet von Armande – Von einer Dame ist es.
LUDWIG. Ein Billet Öffnet. von Armanden! »Sire, ich schreibe Ihnen in der größten Betrübnis. Das Verbot des Tartüffe – Liest für sich weiter. wie kann ein Monarch – die erhabenen Grundsätze – die Rolle der Elmire lassen Sie mich Ihnen heute trotz der Kulissengesetze in Ew. Majestät Theaterloge – – Laut. großmütiger Schutz der Künste und Wissenschaften – das Verbot eines Stückes – Armandens ewige Dankbarkeit, Liebe und Verehrung –!« Ist es möglich! Laut und mit Zorn. Lionne, ich begreife nicht, wie man ein Stück, das so vortreffliche Rollen enthält, verbieten kann! Es ist unerhört, welche Impopularität man auf meinen Namen bürdet – Ich finde das Verbot geradezu unpassend, abscheulich und kann nicht begreifen, welche Rücksicht ich[193] auf die Heuchler und Frömmler zu nehmen habe, und warum man überhaupt solche Dinge an die große Glocke hängt und mich zwingt, über Dinge zu entscheiden, die man stillschweigend ihren harmlosen, natürlichen Lauf gehen lassen sollte.
LIONNE. Sire befehlen, so werd' ich Anstalten treffen, daß die Vorstellungen des Tartüffe freigegeben werden! Verbeugt sich und will gehen.
Lakai erscheint.
LUDWIG. Hab' ich noch eine Audienz zu geben?
LAKAI. Präsident La Roquette.
LUDWIG. La Roquette? Was führt den frommen Mann zu dem weltlichen Ludwig?
LIONNE beiseite. Nun werd' ich warten können –
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Das Urbild des Tartüffe
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