[219] Molière.
MOLIÈRE schon für den Abend in täuschender Ähnlichkeit mit La Roquette als Tartüffe gekleidet, tritt auf und besieht sich im Spiegel. Die Maske ist gut! Ich habe nicht vermeiden wollen, dem Präsidenten ähnlich zu sehen. Bin ich's? Ja, ich bin's! Wo Madeleine nur diese Perücke entdeckt hat! Sie ist für die Rolle des Tartüffe wie gewaschen. – So ist denn der Augenblick da, den ich so heiß ersehnte, der Augenblick nicht der Rache, nein, der Vergeltung! Seit drei Uhr drängt sich das Publikum in den Straßen. An der Kasse haben die Kommissäre Mühe, die Ordnung aufrechtzuerhalten – Mir ist so bekommen zumute, wie dem Krieger, eh' er in die Schlacht geht. – Wenn Armande wirklich ein blaues Tuch trüge – nein, nein, sie hilft mir den Sieg gewinnen in einem Feldzuge, den ich nur um ihretwillen begonnen habe. Sie! Sie, die Tochter des Duplessis, sie der Preis dieses Abends! Ihr, ihr selbst verdank' ich den Stoff, ihren Erinnerungen, ihren Tränen –! Dort ist die Loge der Prinzen, hier die des Königs. – Wenig Minuten noch und die Günstlinge versammeln sich in diesem Vorsaal. Lüftet den Vorhang. Von dort sieht der König auf Elmire Duplessis nieder, zittert wie ich, und wird sich getäuscht sehen, wenn es zu spät ist. – Ich will mich noch ein wenig ausruhen und sammeln – Wo wär' ich ungestörter als dort! So mancher Fürst hat in der Politik die Rolle eines Schauspielers übernommen; ruh' auch einmal ein Schauspieler aus auf dem Sessel eines Königs! Geht hinein in das Innere der Loge. Der Vorhang fällt hinter ihm wieder zu.
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Das Urbild des Tartüffe
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