[58] Santos, Embden, Rabbinen treten unten in Bestürzung auf. Die Gemeinde. Darauf Uriel.
SANTOS.
Die Türen auf!
EMBDEN.
Entlaßt das Volk. Er frevelt –!
ALLE.
Er lästert!
URIEL erscheint in wildem Aufzuge, entstellt, auf dem Tabernakel.
Schweigt! Ihr alle schweigt – ich kenn' euch alle –!
Der reiche Ben Jochai – war's Jochai,
Der eben mich mit seinem Fuße trat?
SILVA.
Beugt Euch dem Willen des Geschicks, Acosta!
Tragt sanft und milde, was es Euch verhängt!
URIEL.
Ihr seid de Silva –
SANTOS.
Wenn um Judith nur
Du widerriefst, so strafte dich der Herr.
Sie wird das Weib Jochais!
URIEL.
Hab' ich's doch
Gehört?
SILVA.
Acosta! Forscht nicht, wie im Drange
Des schmerzlichsten Geschicks ein Kindesopfer
Gefordert wurde – tragt es, weil es ist!
URIEL kämpft, sich an diese Nachricht zu gewöhnen. Seine Brust hebt sich, seine Augen rollen. Endlich stürzt er verzweifelnd an Silvas Brust.
Ich gab den Tod mir um zwei Leichen, Silva!
O allzu sterblich sind die Sterblichen!
SANTOS.
Du Tempelstörer, ende deine Reue!
Noch ist die letzte Sühnung nicht vollzogen.
URIEL.
Noch Sühnung? Hört! Und sie bewegt sich doch.
SILVA beiseite.
Das Wort des Galilei?
URIEL.
Stürzt, ihr Felsen,
Von meiner Brust! Die Zunge werde frei!
Gefesselte Vernunft, erhebe dich
Mit eines Simsons letzter Riesenstärke!
Mit meinem Arm zerdrück' ich eure Säulen –
Dem blinden Geigenspieler fällt es ein,
Er selber sei der Held, der seinen Schmerz[58]
Besingt, um euch zum lust'gen Tanz,
Mit seinem Lied zur Freude aufzuspielen!
Zum letzten Male schüttle ich mein Haar,
Und rufe: Was ich las – es ist nicht wahr!
SANTOS UND ALLE.
Hinweg, hinweg mit ihm!
URIEL.
O leugnet ihr
Das Sonnenlicht durch diese matten Kerzen?
Sagt ihr, die Sterne glaubten das, was wir?
Unsterblich dünkt ihr euch in euerm Wahn?
Ihr Eintagsfliegen, sommernachtgeboren
Und wie ein Nichts im ew'gen Raum verloren!
An Worte fesselt ihr den Geist, an Worte
Den ew'gen Gott, an diese ird'sche Schöpfung,
Die euer Auge kaum begreifen kann?
Wir wollen Freiheit von dem alten Joch!
Nur die Vernunft sei das Symbol des Glaubens!
Und wenn wir zweifeln, Wahrheit aufzufinden,
So ist es besser, neue Götter suchen,
Als mit den alten, statt zu beten, fluchen!
SANTOS.
Du glaubst, du hast den Denker dir befreit?
Nur deinen Dämon hast du losgebunden.
URIEL.
Den Dämon! Ja, de Santos, meinen Dämon!
Ich glaub' an euern Gott, Gott Adonai,
Den Gott, der seinen Feind zertritt wie Ton!
Den Gott, dem Feuer aus dem Munde geht,
Den Gott, der Rache übt ins dritte Glied!
Ich bin ein Mensch wie dieser Gott des Zorns,
Und will ihm dienen, euerm Gott der Rache!
Er stürzt fort.
SILVA.
So weit ist es gekommen! O zerreißen
Möcht' ich dies Kleid und Buße tun vor Reue,
Daß ich die Hand geliehn zu solchen Freveln!
An den entweihten Tempeln sind die Hüter,
Am Fall des Glaubens nur die Priester schuld!
SANTOS zu den Rabbinen.
Was zu beschließen, wird Akiba sagen.
Wir sehn uns morgen auf Jochais Hochzeit.
Der Vorhang fällt.
Ausgewählte Ausgaben von
Uriel Acosta
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