28.

[243] Der edle Finkenritter, mit dem tapfern Cavalier, Monsieur Hans Guck in die Welt, oder Historia von dem weit erfahrnen Ritter, Herrn Policarpen von Kirrlariffa, genannten Finkenritter, wie der dritthalbhundert Jahr, ehe er gebohren ward, viel Land durchwandert, seltsame Dinge gesehen,[243] und zuletzt von seiner Mutter für todtliegend gefunden, aufgehoben, und erst von neuem gebohren worden. Item von seiner Hochzeit, eine satyrische doch lehrreiche Sache, wie sich jeder in den Ehestand schicken soll. Ferner Monsieur Gucks wohlgemeinte und fleißig gesammelte Scherzreden. Gedruckt in der jetzigen Welt. Nürnberg.


Eigner, origineller, schwebender, gestaltloser, phantastischer, prahlender, verlogener Witz; zusammengesetzt aus dem italienischen Burchiellesco und dem Boschereccio; oft erinnernd an Schelmufkys Ton, mit dem der Finkenritter gleichen Zweck und gleiche Anlage hat. Wie ein Irrwisch fährt der Ritter durch die Welt, hält genaues Diarium von dem was ihm begegnet, und kein Traum geht so frech mit der Wirklichkeit um, als dieser irrende Ritter, dem der Teufel vorn die Straße mit Bratwürsten pflastern, und hinter ihm wieder Alle auffressen muß; vor dem die Lügen schnell wie Pilze aus der Erde schießen, und nachdem sie ihn angelächelt, und er vorbeigesaust, wieder in die Erde sich verkriechen. In der fünften Tagreise heißt's: »Wie ich mit einem Tuch, zu einem Winterrock also fortzog, so sehe ich einen schönen, weißen, dürren, grünen, langen, gewachsenen Rasen voll Gras, das wär meiner Mutter Kuh gut gewesen, ich hätte es auch gern abgehauen, aber ich hatte keine Sense; so bald begegnete mir Einer, der trug Sensen feil, ich sagte zu ihm: Landsmann wie giebst du mir Eine? Er sagte: ›Ich gebe dir eine um einen Juhey Juho mit lauter Stimme.‹. Ich schreie den rechten Ju, Juhey, Juho, so laut als ich's erschreien mögte, daß Berg und Thal davon erschall, gleich als brüllten die Ameisen. Ein Esel gieng ungefähr hinter einer Hecken zu weiden, den hatte ich nicht gesehen, der sprang empor über den Graben, und lief darnach, schrie als Ja! Ja! Ja! vor Schrecken; ich entsetzte mich auch vor ihm, und meinte nicht anderst, denn daß er aller Hasen Mutter wäre; ich nahm von dem die Sense, zog auf den Rasen, und hieb hinein; da schlug ich mit der Sensen an einen Maulwurfhaufen, und in dem Streich hieb ich mir selbst den Kopf ab, der Kopf der lief den Rasen hinab, als gülte es ihm ein gut Gelag, oder zween Scheffel Bier; flugs lief ich ihm nach, stieß mich aber in solcher Eil an einen Ast, daß mir die Stirn blutet; so bald ich ihn erwischte, setzte ich ihn behend wieder auf, dieweil er noch warm war, und setzte das Hintertheil zu vörderst, das thät ich deshalben, wenn ich durch den Wald gieng, daß mich die Reisser nicht in die Augen schlugen, daß ich auch von hinten und vorn sehen kunte. In denen Dingen wollt ich ganz schnell heimlaufen, und lief geschwind wie ein Pfeil auf einen Heller, da stund bald ein starker Wind auf, wehet mir den Kopf wieder herab, jagte ihn weit von mir hinaus, ich sähe wohl, wo er lief, eilte ihm schier eine welsche Weil Wegs nach, bis ich ihn erwischte, da säuberte und putzte ich ihn, und band ihn mit rothen Nesseln auf, wohl zusammengebunden und verwahret, also wuchs er mir bald wieder, da war ich stolz, daß ich wieder sehen kunte«. Das kleine Werkchen 14 Blätter stark, ohne Zweifel die Geburt weniger Augenblicke eines Geistes, der in dieser Sternschnuppe sich reinigte, datirt sich wahrscheinlich aus den Zeiten des dreissigjährigen Krieges her, wo der Hang zum Prahlen und Lügen epidemisch in Teutschland grassirt haben mag, daß man den Witz dieser Influenza[244] entgegensetzen zu müssen glaubte. Der Hans Guck in die Welt ist fremdartiger Zusatz, eine schlechte poetische Epistel, und dann 400 zeitkürzende Scherzreden; Gassenhauer, aber darum nichtsdestoweniger meist recht witzig erfunden, spöttisch und scharf.

Quelle:
Joseph Görres: Die teutschen Volksbücher, in: Joseph Görres, Gesammelte Schriften, Band 3: Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I (1803–1808). Köln 1926, S. 243-245.
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