15.

Die Rose am Busen, das Glas in der Hand,

Ein Liebchen, das willig erfreut!

Der mächtigste Sultan im herrlichsten Land

Ist wahrlich mein Sclave nur heut!

Verschont die Versammlung mit Lichtern, verschont!

Uns strahlt ja in heutiger Nacht

Die Wange des Freundes als leuchtender Mond

In schimmernder Völle und Pracht.

Stets waren die Freuden des Weines erlaubt

Nach uns'rem Gesetze; allein

Sind, Rosenzipresse, wir deiner beraubt.

So müssen verboten sie sein.

Durchwürz' nicht in uns'rer Gesellschaft die Luft!

Der Seele Geruchsinn erfüllt

In jedem Moment ja der lieblichste Duft,

Der süss aus der Locke dir quillt.

Mein Ohr neigt dem Worte der Flöte sich hin,

Und horcht, wie die Harfe verklingt;

Mein Auge blickt immer nach deinem Rubin.

Und schaut, wie den Becher man schwingt.

Vom Kandel und Zucker sprich fürder mir nicht,

So schmackhaft sie immer auch sein:

Mein sehnlichster Wunsch und mein liebstes Gericht,

Dein Mund ist's, dein süsser, allein.

Seit Kummer um dich – jener köstliche Schatz

Im öden Gemüthe mir ruht,

Sind Winkel der Schenken der einzige Platz,

Der wohnlich mir scheinet und gut.

Du sprichst von der Schande? Sie freut mich, mein Ruhm

Erwächst ja aus Schande allein.

Du frägst nach dem Ruhme? Ich hass' ihn. Warum?

Mein Ruhm bringt ja Schande mir ein.[87]

Als taumelnden Zecher bekenne ich mich;

Kühn send' ich die Blicke umher:

Doch Jener, der nimmer so wäre wie ich,

Wo fände im Städtchen sich der?

O saget dem Vogte des Städtchens doch nicht,

Wie schimpflich mein Treiben mag sein:

Er leistet, mir ähnlich, ja auch nicht Verzicht

Auf immer zu trinkenden Wein.

Vom Wein und vom Liebchen getrennt, o Hafis,

Verschwinde dir nimmer ein Tag:

Nun duften Jasmine und Rosen so süss,

Auch nahte des Festes Gelag.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 85-89.
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