Gottesdienst

[189] Sicher und harmlos,

wie Götter und Kinder,

athmen wir freudig

des Lebens Tage.

Aber die Nächte,

des Lebens Nächte

feiern wir fromm.


Uns segnet der Mond

mit weissen Händen:

am Hange des Berges

auf hoher Warte

giesst er das Silber

uns vor die Füsse,

und goldne Sterne

flammen und kreisen

über den Scheiteln

der Gottgebornen.


Fern drängt ein Windstoss

schwer durch den Hochwald ...

Aus seinem Rauschen

spüren wir schauernd

ewigen Hauch ...
[190]

– Lernet verachten

die niedern Geschlechter!

Hoch durch die Wipfel

wandelt der Sturm.


Lernet verachten

die Meute der Menschen!

Rein, für die Menschheit

schlage das Herz!


Lernet gebieten

als Herren den Herrschern!

Nur was euch eigen,

schirmet und baut! –

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 189-191.
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