Tristan-Sonett

[199] Da nun du schlummerst, tasten Traumgestalten

an deinen Schlaf: dass du die Hände regen,

unwillig deine Lippen musst bewegen

und weiter ringen mit des Tags Gewalten.


Einst wirst du ruh in schutzesstarken, kalten

Armen der Nacht: traumlos wird sich ihr Segen

auf deine wunde, welke Stirne legen –

und starr und glatt sind deines Kleides Falten.


Wenn sich, gequält, in seiner Träume Kreise

der Schläfer windet, lächelst du so weise:

es kommt der Tag und lässt sich nicht betrügen.


O lerne lächeln auch ob dieser Zeiten,

ob dieses Tages dreisten Wirklichkeiten –

es kommt die Nacht und straft sie alle Lügen!

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 199-200.
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